Die Kunst der Zeitmessung und die Architektur zollen sich gegenseitig tiefen Respekt, was übrigens auch in der GMT-Rubrick Architektur deutlisch zum ausdruck kommt! Der Jargon und die Baupläne beider Disziplinen sind sich manchmal zum Verwechseln ähnlich. Viele Uhrendesigner waren vorher in der Architektur tätig. Schliesslich bezeichnet man beispielsweise den Designer Eric Giroud, der schon zahlreiche Preise gewann und eine Ausbildung als Architekt absolvierte, klipp und klar als Uhrmacher-Architekt. Uhrmacher lassen sich von der atemberaubenden Architektur herausragender Städte inspirieren, z.B. Dewitt für die Twenty-8-Eight Horizons in Anlehnung an den Art-Deco-Stil von Manhatten und MB&F für die Brücke der Legacy Machine LM1, die an den Eiffelturm erinnert.
Zweite Kunst: Bildhauerei
Gleichen Gehäuse und Werk einer Uhr nicht auch kleinen Skulpturen? Konzept, Fertigung sowie Guillochage, Perlieren, Juwelenfassen und Endmontage sind alles Arbeitsschritte, die höchste Sorgfalt voraussetzen. Auch die kleinste Uhr setzt perfekte Harmonie voraus. Vom sorgfältigen Arbeiten über die Harmonie bis zu sinnlichen Formen: Diese beiden Künste haben definitiv viel gemein. Die Begriffe Zeitskulpturen und skulpturale Zeitgebilde erhalten so eine ganz neue Dimension.
Dritte Kunst: Malerei
Uhren und die unaufhaltsam verstreichende Zeit haben schon viele Maler inspiriert – als alter knöcheriger Mann mit Sense und Sanduhr oder als wie ein Camembert zerfliessende weiche Uhren bei Salvador Dali. Bestimmte Uhrenmanufakturen hegen und pflegen die Malerei sowie vor allem Emailmotive auf Zifferblättern. Talentierte Emailkünstler fertigen für Vacheron Constantin und die Kollektion Métiers d’art echte Meisterwerke an. Aufgemalte Orchideen verschönern bei Piaget die Kollektion Altiplano, und bei Van Cleef & Arpels zieren Emailarbeiten die zarten Modelle der Cadrans Extraordinaires. Das Museum Patek Philippe besitzt übrigens eine Atemberaubende Email-Kollektion.
Vierte Kunst: Musik
Uhren mit Läutwerk geben nach dem gleichen Prinzip wie Musikinstrumente die verstreichenden Stunden und Viertelstunden durch einen Schlag auf Glocken oder Tonfedern an. Grosse Komplikationen verfügen oft über die unglaublichsten Läutwerke wie beispielsweise das Westminster-Glockenspiel (des britischen Parlaments). Abgesehen von den Läutwerken und dem Ticktack der Hemmung hat Hublot gemeinsam mit Depeche Mode eine aussergewöhnliche Serie mit zwölf Uhren geschaffen, von denen jede auf dem Zifferblatt das Cover eines Albums der berühmten Gruppe präsentiert. Nicht minder originell ist das Projekt von Quincy Jones und Audemars Piguet, die gemeinsam eine Sonderserie der Millenary lancierten.
Fünfte Kunst: Poesie
«Die Uhr» von Charles Baudelaire und «Die Stunde» von Paul Valéry sind nur zwei Beispiele für die vielen Dichter, die sich von der Zeit inspirieren liessen bzw. auf sie oder ihre Hüter verwiesen. Honoré de Balzac schmückt Figuren in mehreren seiner Romane mit Taschenuhren von Breguet. Die Feen der Complications Poétiques von Van Cleef & Arpels unterhalten mit den in den Gehäuseboden eingravierten Versen eine gar lyrische Beziehung. Mit der Montre Arceau Le Temps Suspendu ehrt Hermès die Poesie der Zeit.
Sechste Kunst: Tanz
Im Französischen bezeichnet ein «Maître à danser» nicht nur einen Tanzlehrer, sondern auch eine Art Zirkel, mit dem in der Uhrmacherei der Innendurchmesser bestimmt werden kann. Audemars Piguet unterstützt die Renovierungsarbeiten des Bolschoi-Theaters und widmet ihm die Sonderserie Jules Audemars Extra-Plate Bolshoï. Vor einigen Jahren beauftragte Raymond Weil die berühmte Tanzfotografin Lois Greenfield für die Werbekampagne der Marke. Die in Schwarz-Weiss fotografierten und in der Luft schwebenden Tänzer sind vielen von uns noch heute ein Begriff. Ausserdem heisst es ja nicht von ungefähr, dass die Zeiger über das Zifferblatt tanzen, und nicht selten spricht man auch von der Choreografie der Unruh.
Siebte Kunst: Film
Abgesehen vom einfachen Product Placement spielen Zeitmesser in zahlreichen Filmen eine Schlüsselrolle, die bestimmte Marken zur Entwicklung neuer Technologien und Spitzfindigkeiten motiviert. Jedermann denkt dabei sofort an James Bond und seine Rolex, Omega und Seiko, die ihn aus den ausweglosesten Situationen retten. «The Clock», der Film des amerikanisch-schweizerischen Doppelbürgers und Künstlers Christian Marclay wurde an der letzten Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen des besten Künstlers ausgezeichnet. Das 24-Stunden-Video als Zusammenschnitt von unendlich vielen Szenen aus Filmen und Serien symbolisiert die verstreichende Zeit anhand von Einstellungen mit Grossuhren, Armbanduhren und Aktionen. Das Ganze wird zeitgleich ausgestrahlt.
Achte Kunst: Fotografie
Um die Uhren zu verewigen und der breiten Öffentlichkeit zu offenbaren, brauchen Uhrmacher talentierte Fotografen. Raymond Weil und Jaeger-LeCoultre haben dies verstanden und unterstützen die Fotografie auf internationaler Ebene.
Neunte Kunst: Comics
Mickey hat mit der Happy Mickey Collection unlängst bei Chopard Einzug gehalten. Titeuf thront auf einem Reverso-Unikat, das Zep und Jaeger-LeCoultre gemeinsam entwickelt haben. IWC Schaffhausen hat ein beeindruckendes Buch über die eigene Geschichte herausgegeben, das der Zeichner Enki Billal vorteilhaft illustriert. Corto Maltese und Tim und Struppi tummeln sich seit geraumer Zeit bei Swatch. Die Turbine Erotic von Perrelet bietet vier teilweise sehr gewagte Manga-Inszenierungen.
Zehnte Kunst: digitale Kunst
RJ-Romain Jerome öffnet dem legendären Elektronikspiel Space Invaders aus den 1980er Jahren Tür und Tor. Neben dieser Invasion sowie dem Aufkommen der digitalen Welt auf den Zifferblättern der hohen Uhrmacherei sorgen vor allem die Weiterentwicklungen der Uhren in Smartphones für viel Wirbel. Jorg Hysek und HD3 treiben es wie immer aud die Spitze, denn bei ihnen können sammler einfach mit dem Finger über ihre Slyde am Handgelenk streichen und so die gewünschte Komplikation anzeigen. De Grisogono hatte mit seiner Digital mit mechanischer Digitalanzeige bereits einen Meilenstein gesetzt.
Elfte Kunst: Gastronomie
Präzise Handgriffe und sorgfältiges Arbeiten sind beiden Fachbereichen gemein. Blancpain und der Sternekoch Philippe Rochat haben gemeinsam einen kurzen Film darüber gedreht. Abgesehen von den Synergien zählen die meisten Grands Chefs und Besitzer der renommiertesten Restaurants zu den beliebtesten Botschaftern der Uhrmacher. Federführend ist hier Hublot als offizieller Zeitnehmer beim Bocuse d’Or, dem Bedeutendsten Kochwettbewerb der Welt.
In der Serie Real Time des niederländischen Designers Maarten Baas wird mit verschiedenen Kreationen erforscht, weshalb eher das Handeln des Menschen als das Ticken traditioneller Zeitmesser die verstreichende Zeit nachzeichnet. Auf seiner Grandfather Clock scheint beispielsweise jemand in einer Pendule gefangen zu sein, um die Zeiger zu malen und wieder auszuradieren. Baas hat ausserdem eine Ausführung mit digitaler Anzeige entwickelt, die für Smartphones erhältlich ist. Ist sein avantgardistischer und entrückter Ansatz an sich nicht der beste Beweis, dass die Zeitmessung alle anderen Künste dominiert?