Noch dominiert Europa : (wertmässig) …

Auch wenn Christie’s im vergangenen Geschäftsjahr Uhren für eine Rekordsumme von über USD 91 Millionen versteigerte, möchte der Verantwortliche dieser Sparte das Wort Euphorie nicht in den Mund nehmen. «2007 war das der Fall», erklärt Aurel Bacs, «heute sind die Käufer Kenner. Sie wissen, dass sie gut investieren, und sind zuversichtlicher.» Und doch steigt die Anzahl der Interessenten an Uhrenauktionen unaufhörlich. «Alle sechs Monate haben wir mehr Kunden, vor allem in Asien», führt der mehrsprachige Fachmann weiter aus und erwähnt, dass er viel Zeit in Indonesien, Malaysia und Thailand verbringt, um neue Sammler kennenzulernen. Ob Käufer oder Verkäufer: Alle reissen sich um Informationen und vielfältige Produkte. Sie sind vergleichsweise jung und haben weniger Vorurteile. Wie auch auf dem Markt für neue Uhren steigt die Anzahl asiatischer Sammler, zumindest volumenmässig. Doch das ist die einzige Parallele, die man ziehen kann, denn obwohl fast die Hälfte der über 2000 von Christie’s im Jahr 2010 versteigerten Uhren an Käufer aus Asien ging, liegt der Durchschnittspreis deutlich unter dem der amerikanischen und vor allem der europäischen Sammler. Der Gesamtwert der von asiatischen Kunden ersteigerten Uhren liegt somit weit unter der Hälfte des Werts der von Europäern gekauften Stücke.

Welche Lehren kann man noch aus dem Jahr 2010 ziehen? «Qualitativ hochwertige Stücke verkaufen sich gut», kommentiert Aurel Bacs und fügt hinzu, dass die Qualität von der Marke (Patek Philippe ist und bleibt die Referenz), vom Werk (das den Intellekt des Sammlers ansprechen muss), von der Seltenheit des Modells und vom Zustand des Zeitmessers abhängt. Die Stärke des Schweizer Franken benachteiligt den Schweizer Sammler, der gerne einen Teil seiner Sammlung abstossen möchte, da seine Zeitmesser den potenziellen Käufern, die eine andere Währung benützen, teuer erscheinen. Gleichzeitig hat er aber mehr Kaufkraft, wenn er sich für Stücke ausserhalb der Schweizer Grenzen interessiert.

 

Drei Spezialgebiete

Den Auktionsmarkt kann man nicht manipulieren, da Angebot und Nachfrage ständig schwanken und der Fachmann für Uhrmacherei geduldig sein muss, um zum rechten Moment am rechten Ort zu sein und so das Vertrauen Hunderter Käufer und Verkäufer zu gewinnen. Aurel Bacs hat ein besonders Flair für neue Trends, möchte aber trotzdem die drei Spezialgebiete ausbauen, auf denen das Auktionshaus Christie’s in Genf sein Können unter Beweis gestellt hat: Vintage-Modelle von Patek Philippe, Rolex und Audemars Piguet, alte Taschenuhren (18. und 19. Jahrhundert) mit Automaten, Komplikationen und/oder Email sowie moderne Kreationen unabhängiger Uhrmacher und Sonderserien grosser Manufakturen. Christie’s ist der einzige Auktionator, der Uhren von Philippe Dufour feilhält und über eine Warteliste interessierter Käufer verfügt. In der Aufzählung der regelmässig von Sammlern gesuchten Stücke erwähnt Aurel Bacs auch die Opus-Modelle von Harry Winston und die Vagabondage-Uhren von F.P. Journe. Bei den Sonderserien der grossen Marken stehen die Jubiläumsstücke oder die speziellen Boutique-Zeitmesser von Patek gefolgt von den verschiedenen Ausführungen der «Pour le Mérite» von Lange & Söhne hoch im Kurs.

Die für den 16. November in Genf angesetzte Auktion umfasst 400 Zeitmesser, von denen die meisten aus diesen drei Spezialgebieten stammen – jedoch nicht alle. Christie’s wartet ausserdem mit kleinen Sportkollektionen von Rolex aus den 50er und 60er Jahren, chinesischen und türkischen Taschenuhren mit Email vom Anfang des 19. Jahrhunderts sowie (und vielleicht sogar vor allem) mit der vierten und letzten Ausgabe der Saga «A Connoisseur’s Vision» auf. Dieses Mal werden rund zehn extrem seltene und aussergewöhnliche Zeitmesser von Patek Philippe aus einer sagenumwobenen Privatsammlung die Sammlerherzen höher schlagen lassen. Die Gebote werden sich überschlagen!


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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