Cartier : Manufaktur in La Chaux-de-Fonds

«Vor der Errichtung dieses Gebäudes legte ein Produkt bis zur Validierung 170 km zwischen den einzelnen Produktionsstandorten zurück. Heute sind es nur noch 300 Meter», erklärt uns der Standortverantwortliche einleitend. Cartier startete 2005 das Projekt «Think Tank», um die Innovation zu stimulieren. Den Kern des Projektteams bildeten nur zwei Personen, darunter aber die Koryphäe der hohen Uhrmacherkunst von Cartier, Carole Forestier. In diesem Ideenlabor arbeiten heute 25 Personen in perfekter Symbiose mit über 1000 Angestellten vor Ort. «Alle unter einem Dach», erläutert unser Gastgeber während des Besuchs, «ist das Grundkonzept des Projekts, das eine optimale räumliche und zeitliche Organisation ermöglicht.» Mit diesem Ansatz fördert die Marke die Kommunikation und den Ideenaustausch sowie eine rasche Umsetzung der Ideen in greifbare Produkte. Innerhalb der Manufaktur Cartier bearbeiten die Teams gleichzeitig über 150 neue Projekte zu einer der vier Kollektionen. Didaktische Informationstafeln an den Schnittstellen der über zwei Stockwerke verteilten Abteilungen zeugen vom Streben nach Austausch und pädagogischer Stimulierung. Wenn 1100 Menschen mit 37 verschiedenen Staatsangehörigkeiten auf 30 000 m2 185 Funktionen ausüben, braucht es eine gewaltige Rationalisierung, um die Effizienz sicherzustellen. So gelang es beispielsweise, die für das Programmieren der komplizierten Maschinen benötigte Zeit von drei Tagen auf wenige Stunden zu senken.

 

 

Cartier nutzt auch die in anderen Industriesektoren angewandten Methoden (beispielsweise die nach Farbcodes aufgeschlüsselte Serienproduktion) und organisiert die Produktionszonen als Inseln, die alle für die Herstellung einer Uhr oder eines Werks benötigten Kenntnisse aufweisen. Architekten, Ingenieure und Uhrmacher haben sicherlich monatelang überlegt und diskutiert, um die bestmögliche räumliche Aufteilung zu ermitteln. Wie organisiert man beispielsweise ein harmonisches Zusammenspiel zwischen der Fussballfeld grossen Ausstattungshalle und der kleinen Werkstatt für die Restaurierung alter Uhren oder den Werkstätten für Prototypen, Dekoration, Werksmontage, Einschalung etc.? Die Produktionsverantwortlichen betonten, dass sie «nicht alles selbst produzieren, aber zumindest über alles genau Bescheid wissen müssen, um die Standards festzulegen: Qualität wird nicht kontrolliert, sondern produziert.» Ein Chronograph von Cartier muss 800 Kontrol-len durchlaufen. Im Espace Horloger wird die Luft permanent gefiltert und wiederaufbereitet, um zu verhindern, dass sich Staub auf den winzigen Bestandteilen eines Werks oder einer Uhr ablagert. Eine Hochgeschwindigkeitskamera (33 000 Bilder/Sekunde) kontrolliert die Ganggenauigkeit eines Kalibers und erkennt auch die geringste Abweichung. Jeden Abend werden alle Einschalungskits überprüft. Dank dieses unermüdlichen Strebens nach optimaler Qualität und Logistik konnte Cartier seit 2005 den Lagerbestand auf ein Drittel reduzieren und doch gleichzeitig eine der kreativsten Marken hoher Uhrmacherkunst werden.


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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