Daniel Riedo : CEO von Jaeger-LeCoultre

Ihre Ernennung vor dem Sommer hat viele überrascht. Hatten Sie selbst so schnell damit gerechnet?

Ich war selbst sehr überrascht! Der Fortgang von Jérôme Lambert war an sich schon eine Überraschung. Nach diesen ersten Emotionen wurde mir klar, welche Ehre ein solcher Vorschlag ist, weshalb ich mit Freude angenommen habe.

 

Was waren Ihre ersten Entscheidungen?

Ich möchte zuerst erwähnen, dass Jérôme uns eine gesunde Plattform für eine herausragende Marke hinterlassen hat. Meine erste Entscheidung war, keine übereilten Entscheidungen zu treffen, sondern das weiterzuentwickeln, was bereits von meinem Vorgänger eingeleitet und strukturiert worden war. Die zweite Entscheidung war, mir für den internen Dialog mit den nichtindustriellen Sektoren, für die ich ebenfalls verantwortlich war, die Zeit zu nehmen. So startete ich mit einer internationalen Tournee durch unsere Filialen und unsere markeneigenen Boutiquen. Als nächstes werde ich unsere Einzelhändler rund um die Welt besuchen. Gleichzeitig lernte ich die verschiedenen, für die Produktkreation sowie die Forschung und Entwicklung zuständigen Teams der Manufaktur kennen, insbesondere um die Entwicklungsstrategie der kommenden Jahre festzulegen.

 

Welche Ziele möchten Sie mit der Marke in den kommenden Jahren erreichen?

Unsere Produktlinien sind bereits gut strukturiert. Es gilt jedoch, mehr über ihre Codes zu kommunizieren, einige zu stärken und andere zu stabilisieren. Die jüngste Linie Rendez-Vous ist sehr erfolgreich und sollte deshalb neue Varianten anbieten, bei deren Entwicklung die Kommentare aus dem Markt zu berücksichtigen sind. Wir haben auch Projekte für die Schaffung neuer Produktfamilien, die unser Angebot in zwei Jahren vervollständigen sollen. Ausserdem müssen wir unsere Identität als Manufaktur sicherlich noch deutlicher herausstreichen.

 

Hat Jaeger-LeCoultre auf allen Kontinenten das gleiche Image?

Wir werden auf allen Kontinenten, die ich bisher besucht habe, als qualitativ anspruchsvolle Marke wahrgenommen. Die Qualität des Produkts sichert Jaeger-LeCoultre überall einen Platz ganz oben in der Uhrenpyramide.

 

Was gefällt Ihnen persönlich an dieser Marke am besten?

Wir haben uns erfolgreich auf die Entwicklung, Umsetzung und Kombination grosser Komplikationen spezialisiert und können uns so deutlich von der Masse abheben. Neben diesem herausragenden Fachwissen kann die Marke ihr kreatives Potenzial dank einer perfekt integrierten Produktion vollumfänglich ausschöpfen. Diese kreative Freiheit wird am nächsten SIHH und vor allem durch das Wechselspiel aus Werk und Ausstattung unter Beweis gestellt.

 

Jaeger-LeCoultre verfügt über beneidenswerte industrielle Produktionsanlagen. Was planen Sie im Bereich Aus- und Weiterbildung?

Zum Glück können wir auf ein sehr treues Team zählen und müssen uns deshalb weniger Sorgen um Ersatz machen als andere Marken. Ausserdem sind diese Teams recht jung, da die Manufaktur in den vergangenen fünf bis sechs Jahren ein starkes Wachstum verzeichnete und somit eine relativ konservative Alterspyramide aufweist. Unsere Humanressourcenstrategie umfasst Nachfolgepläne für besonders erfahrene Mitarbeiter, und eines unserer Projekte verfolgt den Aufbau eines internen Ausbildungsnetzes für Uhrmacher, die auf grosse Komplikationen spezialisiert sind. Da sich viele junge Talente gern weiterentwickeln möchten, planen wir die Einrichtung einer vom Druck der Lieferfristen unabhängige Werkstatt. So kann der Nachwuchs hohe Uhrmacherkunst erlernen und langfristig unsere Kapazitäten im obersten Segment und gleichzeitig die eigenen Karrierepläne weiter ausbauen.

 

Wie findet man das ideale Gleichgewicht zwischen Quantität und Qualität?

Qualität duldet keine Kompromisse, da sie das A und O ist und bleibt. Der Markt zeigt uns ein gutes Gleichgewicht auf: Sind wir in der Lage, die gewünschte Menge in der gewünschten Qualität und mit dem gewünschten Komplikationsgrad zu fertigen? Die Qualität dominiert jedoch immer. Wir möchten auf keinen Fall mehr produzieren und dafür Abstriche bei unseren Kontrollen oder unserer Qualität machen. Ein Manufakturprodukt braucht Zeit. Unsere Produktionsanlagen sind zwar gross genug, um mehr zu fertigen – doch dafür müssten wir mehr Mitarbeiter einstellen. Um wie viel wollen wir noch wachsen? Mit dieser Frage müssen wir uns auseinandersetzen.

 

Nimmt Jaeger-LeCoultre nächstes Jahr am Grand Prix d’Horlogerie de Genève teil?

Die Frage hat sich seit meinem Amtsantritt noch nicht gestellt. Ich lade Sie aber jetzt schon zum nächsten SIHH ein, wo wir mit schönen Überraschungen unser Können unter Beweis stellen werden, insbesondere im Bereich des Zusammenspiels von Handwerkskünsten, Werk und Ausstattung. Ich verrate Ihnen schon jetzt eine Sensation: Es wird einige Sensationen geben!


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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