Breitling hat gerade eine Wanderausstellung über die Geschichte der Marke seit 1884 organisiert. Welches ist für Sie das wichtigste Jahrzehnt dieser Retrospektive?
Sich ein einziges Jahrzehnt herauszupicken ist unmöglich, denn wir hatten schon enorme Schwierigkeiten, 60 für das Erbgut von Breitling repräsentative Modelle für die Roadshow auszuwählen. Aber falls Sie wissen möchten, welcher Zeitraum mir am besten gefällt, dann würde ich die Jahre 1940 bis 1970 und vor allem das Ende der 60er-und den Anfang der 70er-Jahre nennen, die man als das goldene Zeitalter der Marke bezeichnen könnte: Die Uhren sind unglaublich, die Gehäuseformen atypisch, die Armbänder wurden integriert, und das Orange verleiht ihnen eine einzigartige Note…
Die Kollektionen Premier in den 1940er-Jahren oder das Modell RCAF der 70er-Jahre scheinen etwas klassischer gewesen zu sein. Sehen Sie darin Entwicklungspotenzial?
Ja, und zwar ein enormes! Wir werden im zweiten Halbjahr übrigens eine elegante Uhr lancieren, die sich an dieser Art Design orientiert, denn dieses ist komplett aus unserem Sortiment verschwunden. Breitling positioniert sich mit Uhren zwischen CHF 3000 und CHF 9000. Und genau da möchten wir bleiben. Abgesehen von den Profiuhren hören wir mit den preisgünstigeren Quarzmodellen auf. Ausserdem möchten wir mit Ausnahme von einigen Sondereditionen in unseren Boutiquen nicht in Richtung hohe Uhrmacherei gehen. Wir werden natürlich das erhalten, was die Stärke von Breitling ausmacht, wie die Fliegeruhr und die grossformatigen Modelle, vor allem in den USA, wo wir auf Platz 4 sind. Aber es liegt mir sehr daran, auch klassische Fliegeruhren anzubieten, die den 30er-Jahren und den Bordinstrumenten nachempfunden sind. Oder Uhren mit nautischem Erbgut wie die sehr klassische Superocean Héritage mit Milanaise-Armband. Stellen Sie sich vor: Sie ist das klassischste Modell der jüngeren Geschichte von Breitling und zugleich unser Bestseller 2017! Dies zeigt, dass sich der Geschmack geändert hat und dass die Menschen diskretere Produkte möchten. Wir müssen den tatsächlichen Gegebenheiten des Marktes Rechnung tragen.
Innovation und Design sind zwei der drei wichtigsten Grundpfeiler Ihrer Ausstellung und zugleich Werte, die alle Marken für sich beanspruchen. Wie heben Sie sich von der Konkurrenz ab?
Gewiss erheben alle solche Ansprüche. Ich bin zwar selbst kein Historiker, aber in Wahrheit verfügt Breitling über einen der umfangreichsten historischen Kataloge der Uhrenindustrie. Das bestätigen uns übrigens auch die Auktionshäuser und Historiker. Das Erbe von Breitling ist von phänomenalem Reichtum. Wir werden richtige Neuauflagen lancieren und ich habe selbst schon eine Liste von 20 bis 30 Modellen, denen ich neues Leben einhauchen möchte. Ich habe im Laufe meiner Karriere viele Marken kennengelernt, und bei den meisten hätte ich Schwierigkeiten damit, fünf Modelle zu finden, die man erfolgreich neu interpretieren könnte.
Wie positionieren Sie Breitling gegenüber den führenden Herstellern von Luxus-Sportuhren?
Man sollte nicht vergessen, dass Breitling fast alles in diesem Segment erfunden hat. Ohne Breitling gäbe es keinen Chronographen. In unserer Ausstellung wird einer der ersten in eine Armbanduhr integrierten Chronographen der Geschichte gezeigt, ein Eindrücker-Chronograph von 1915. Es wird auch viel zu oft vergessen, dass der erste Schweizer Chronograph im Weltall von John Carpenter getragen wurde und dass es ein Breitling-Modell war. Das Gleiche gilt für die Damenuhren, mit denen Breitling vor allem in den Jahren 1990-2000 sehr grosse Erfolge verzeichnen konnte. Es war überwältigend! Noch in diesem Herbst werden wir Damenuhren anbieten, um diese Kundinnen zurückzugewinnen. Selbstverständlich müssen wir den Übergang und Umbau von Breitling steuern, aber wir präsentieren den Einzelhändlern eine Vision über zwei oder drei Jahre. Sie schätzen diese Transparenz und schliessen sich unserem Projekt an. Ihre Begeisterung ist sehr ansteckend und so können wir effizient weiterarbeiten.
Sie haben angesprochen, dass Breitling nicht nur in der Luft, sondern auch zu Wasser und zu Lande zu Hause ist. Welche Partnerschaften fassen Sie diesbezüglich ins Auge?
Die Kommunikation von Breitling konzentrierte sich vorwiegend auf die Luftfahrt. Betrachtet man jedoch das Beispiel der Superocean Héritage, so war diese nie eine Flieger-, sondern immer eine Taucheruhr. Sie entstand nach dem Vorbild eines Modells von 1957 mit fabelhaftem Design! Breitling war schon immer ein Allrounder, der sich übrigens auch mit der Automobilwelt verbunden fühlt. Das beweist unsere Partnerschaft mit Bentley. Wir haben auch Verbindungen zum Concours d’Elégance Suisse geknüpft, oder zu Norton, dem ältesten Motorradhersteller der Welt. Damit wir das angestrebte Wachstum erzielen können, brauchen wir neue Ausdrucksgebiete, nämlich zu Lande und zu Wasser. Hier beginnen wir mit der amerikanischen NGO Ocean Conservancy, die sich dafür einsetzt, die Meere von Plastikmüll zu befreien. Diese Operation im Rahmen der sozialen Verantwortung der Unternehmen ist der erste Schritt in diese Richtung.