Interview: Nicolas Bos, Präsident und CEO von Van Cleef & Arpels
«Unsere Kohärenz und Kompromisslosigkeit macht heute bei den immer besser informierten Kunden den Unterschied.»
Welche Bilanz ziehen Sie nach den ersten drei Jahren an der Spitze von Van Cleef & Arpels?
Ich bin besonders stolz darauf, dass diese Marke sich in den vergangenen drei Jahren weiterhin signifikant weiterentwickelt hat. Auch wenn sich die Situation heute leicht verändert hat, sind wir unserer Identität immer treu geblieben. Das war nicht selbstverständlich, denn Van Cleef & Arpels ist eine sehr exklusive Marke, deren Erfolg auf ihrer Technologie, ihrem Know-how und ihrer Geschichte beruht. Diese drei Pfeiler galt es trotz einer Vergrösserung des Vertriebsnetzes zu wahren. Wir haben diese Hürde jedoch meisterhaft überwunden. Meine Ernennung zum CEO änderte nichts an dieser Strategie, im Gegenteil: Als Vizepräsident mit den Verantwortungsbereichen Kreation, Marketing und Strategie habe ich immer sehr eng mit meinem Vorgänger zusammengearbeitet. Ich habe nun einfach mehr Kontakte mit dem Konzern und konnte die Rolle der Ecole Van Cleef & Arpels verstärken, auch wenn die Initiative ursprünglich schon vor mir gestartet wurde. Abgesehen davon waren die Markteinführungen der Schmuckkollektionen wie Peau d’Ane und der Uhr Midnight Planetarium selbstverständlich auch bedeutende Meilensteine.
Wie hat sich die Midnight Planetarium auf die Nachfrage nach Herrenuhren ausgewirkt?
Ihr Erfolg ist real und zählbar, da es sich um eine teure, seltene und segmentierende Uhr handelt. Dennoch glaube ich nicht, dass sie die Wahrnehmung der Herrenuhren von Van Cleef & Arpels verändert hat. Sie gehört zum Bereich der poetischen, eher femininen Komplikationen und hat diesen unzweifelhaft verstärkt. Ich denke aber nicht, dass dies einen Einfluss auf den Verkauf unserer typisch männlichen, einfachen und eleganten Uhren wie beispielsweise der Pierre Arpels hatte. Wir bleiben unserer Philosophie treu und arbeiten weiterhin an Uhrwerken mit Komplikationen, die eine spezielle Geschichte erzählen und eine ausgefallene Ästhetik aufweisen, d.h. wir werden auch zukünftig Modelle mit einem Ansatz anbieten, den es sonst auf dem Markt nicht gibt.
Welche Herrenuhr verkauft sich am besten?
Vom Volumen her ist es die Pierre Arpels, weil sie, obwohl aus Gold, die erschwinglichste Uhr ist. Sie ist mit ihrer schlichten Eleganz ein Klassiker, den die Marke seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts weiterentwickelt. Im Vergleich zu anderen Marken des Konzerns sind unsere Volumen jedoch bescheiden. Die Uhrensparte ist bei Van Cleef & Arpels nur ein eher kleiner Zweig. Das Modell Heure d’ici & Heure d’ailleurs war sehr erfolgreich: Diese originelle Anzeige von zwei Zeitzonen mit einer narrativen Dimension entspricht gut der Philosophie des Hauses. Es geht um ein Geheimnis und etwas Wertvolles in der Welt der Männer, was grossen Anklang findet. Wir bleiben diesem Ansatz treu und werden beispielsweise am SIHH 2017 die marktfähige Version des zum Jahresbeginn enthüllten Prototyps der Complication Poétique Midnight Nuit Lumineuse präsentieren. Wir verfolgen aber noch weitere technisch anspruchsvolle Projekte, die in den kommenden Jahren reifen und meist auch diese narrative Vision der Astronomie verfolgen, die unser Spezialgebiet ist.
Sie rücken auf Ihrer Website die historischen Bestellungen («Men’s Special Orders») ins Rampenlicht. Besteht da eine neue Nachfrage?
Ja, seit zwei Jahren stossen wir wieder auf eine vermehrte Nachfrage nach Objekten. Aus diesem Grund haben wir diese Tradition, die bei Van Cleef ins Hintertreffen geraten war, wieder aufleben lassen. Seitdem das Erbgut von Van Cleef & Arpels in Ausstellungen und Museen, beispielsweise in Dubai, mit der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Gegenständen gezeigt wurde, ist das Interesse gross. Sie haben den Wunsch nach Spezialanfertigungen von Tischobjekten, Schalen, Tischuhren und Inneneinrichtungsprojekten geweckt, die immer einen direkten Zusammenhang mit unseren Handwerkskünsten und manchmal auch mit der Tischlerei haben. Diese Projekte sind spannend.
Wie entwickelt sich die Ecole Van Cleef & Arpels?
Sie feiert ihren fünften Geburtstag und reist seit drei Jahren von Tokio über New York nach Hongkong, wobei sich Hongkong zu einem festen jährlichen Stelldichein entwickelt hat. Die Schule wird immer aktiver und die Niederlassungen beteiligen sich trotz komplexer Logistik mit grosser Begeisterung an immer mehr Projekten: Rund 30 Personen reisen umher und moderieren 14 Tage lang täglich vier allgemeine Sessions. Gleichzeitig schaffen wir neue Inhalte und schliessen neue Partnerschaften mit Institutionen und Museen wie der Ecole Boulle, der Ecole des Arts Décoratifs (Kunsthochschule) und dem Naturhistorischen Museum. In Singapur organisierte die Schule im Rahmen einer grossen Ausstellung des Museums für Wissenschaft und Kunst pädagogische Programme und Konferenzen über Mineralogie und Gemmologie. Wir sind uns heute der Relevanz und Tragweite dieser Initiative bewusst, die von der ganzen Branche gut aufgenommen wurde. Die Ecole Van Cleef & Arpels ist heute zum festen Bestandteil in den Überlegungen der Marke geworden.
Wie erklären Sie sich, dass die Ergebnisse von Van Cleef & Arpels kaum unter der aktuellen Konjunkturlage zu leiden scheinen?
Auch wir sind betroffen. Zuerst gilt es, zwischen Juwelierkunst und Uhrmacherei zu unterscheiden, die eine unterschiedliche Dynamik aufweisen, obwohl im Luxusbereich derzeit ein allgemeiner Abwärtstrend herrscht. Die Uhrmacherei ist stärker betroffen – auch strukturell bedingt aufgrund der Vertriebsprobleme. Wie immer während einer Rezession interessieren sich die Kunden für vertrauenerweckende und alteingesessene Marken, die ihnen auf gewisse Weise näher stehen. Ob Patek Philippe, Hermès oder Van Cleef & Arpels: All diese Marken haben ein Erbe, eine Tradition und eine starke Identität, die nicht durch zahlreiche Wechsel an der Spitze verwässert wurde. Diese Kohärenz, die Tatsache, dass wir uns auf unsere Stärken konzentrieren, und unsere Kompromisslosigkeit machen heute den Unterschied, vor allem bei Kunden, die immer besser informiert sind. Kenner kaufen weiter, überlegen und wählen aber mit mehr Sorgfalt. Van Cleef & Arpels kommt dies zugute.