Interview : Richard Mille

Aston Martin, Chantilly Arts & Elégance, Felipe Massa, Haas F1, Mc Laren Honda F1, Renault E-Dams, Romain Grosjean, Sébastien Loeb und Sébastien Ogier: Die Hälfte Ihrer Partnerschaften betrifft die Automobilwelt. Hat hier das Herz oder der Verstand gesiegt?

«Wir sind nicht mehr eine Nischenmarke, sondern eine Marke, die Nischen mit Hochleistung abdeckt»

Beide! Natürlich habe ich als kleiner Junge immer von Autos geträumt, aber eigentlich hat sich das einfach so ergeben. Richard Mille ist eine Marke, die sich sehr stark von der Technik allgemein und insbesondere von der der Automobilwelt als sehr eng verwandtem Gebiet inspirieren lässt. Wir haben uns von Anfang an Leistungsziele gesteckt und uns auf Bereiche wie die Steifigkeit der Platinen und die Abfederung extremer Stosseinwirkungen  konzentriert, die mir besonders am Herzen liegen. Es ist allgemein bekannt, dass die Formel 1 durch ihre Vibrationen, die G-Stösse und die Schläge gegen das Cockpit der Tod für alle mechanischen Uhren ist. Genau das ist für mich ein interessantes Experimentierfeld, aber dass Rennfahrer die Uhrzeit ablesen können, ist für mich weniger relevant. Ich muss das tun, wenn ich an Oldtimerrennen teilnehme, weil wir nach 25 Minuten die Motoren abstellen müssen. Berufsrennfahrer, die wir bitten, unsere Uhren unter realen Bedingungen zu testen, müssen das nicht. Daher stammt der Slogan «a racing machine on the wrist».

Besitzen Sie mehr Uhren oder mehr Autos?

Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust… aber bei reiflicher Überlegung sind es wohl doch mehr Autos.

Welche RM symbolisiert für Sie am besten die Symbiose beider Welten?

Die RM 50-01 mit G-Kraft-Anzeige.

Warum setzen Sie Ihre Uhren solchen Torturen aus?

Als ich die Marke lancierte, wollte ich aufzeigen, dass die hohe Uhrmacherkunst nicht nur aus immer der gleichen altbekannten Ästhetik und ein wenig hochtrabenden pseudo-esoterischen Botschaften besteht. Marken, die nur auf ihre jahrhundertealte Legitimität verweisen, laufen Gefahr, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Ich war schon immer der Überzeugung, dass die hohe Uhrmacherkunst sich dem Sport, der Kunst, der Frau und dem Lifestyle öffnen muss. Ich bin der Meinung, dass wir uns unsere Legitimität auf dem Schlachtfeld erringen müssen: Unsere Zeitmesser müssen ungeachtet ihrer Komplexität auch am Handgelenk eines Rennfahrers wie Sébastien Ogier, eines Golfspielers wie Bubba Watson oder eines Tennisspielers wie Rafael Nadal überleben. Ich will, dass sie sie in jeder nur erdenklichen Situation tragen. Ich liebe diese Kombination aus extremer Komplexität und Lifestyle-Produkt: Das sind keine Uhren für den Safe, sondern für jede Lebenslage. Nicht nur weil sie sehr technisch sind, sondern weil sie gute Lebensbegleiter sind: Sie sind leicht, schmiegen sich ums Handgelenk und liefern nützliche Informationen – alles was mein Herz begehrt.

Geht es dann um das Budget für Marketing- oder Forschung und Entwicklung?

Beide Bereiche haben viel gemein. Als wir unsere Zusammenarbeit mit Nadal begannen, beschlossen wir, dass er beim Training neun Monate lang immer seine Uhr trägt. In dieser Zeit ging alles kaputt: Die Gläser sprangen raus, die Kronen ebenfalls, die Zeiger fielen ab, der Tourbillonkäfig war nicht mehr in der Verankerung etc., und genau das erwartete ich von ihm! Das hat uns gezwungen zu arbeiten, zu entwickeln und zuverlässiger zu machen, und als er zu spielen begann, war die Uhr perfekt. Bei Massa und Grosjean war es nicht anders: Wir haben jedes Mal die Zuverlässigkeit gesteigert, um uns allen Parametern anzupassen. Pablo Mac Donough ist einer der besten Polospieler der Welt. Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn ihm einer mit dem Hammer auf das Handgelenk schlägt. Zu Beginn hielt das Gehäuse, das ja genau dafür konzipiert worden war, stand, doch die Kraft des Schlags hielt die Uhr an. Heute nicht mehr. Jedes Mal haben wir unsere Ansprüche und unsere Zuverlässigkeit weiter gesteigert. Natürlich arbeite ich unheimlich gern mit all diesen herausragenden und wirklich extrem netten Menschen zusammen. Ihre Profile bewirken eine echte Diversifizierung unserer Marke. Wir begnügen uns nicht mit Oberflächlichem: Wenn wir uns auf den Golfsport fokussieren, haben wir ein Pflichtenheft, für jede Disziplin einen echten technischen Ansatz und eine präzise Strategie. Auf diese Weise ist es uns gelungen, eine fantastische technische Dimension zu erreichen. Wir sind eine junge Marke, und doch kenne ich keine andere, die in so vielen verschiedenen Sportarten so viele Erfahrungen sammeln konnte, die zu Produktverbesserungen führten.

RM zählt derzeit zu den wenigen erfolgreichen Marken…

Das hat verschiedene Gründe. Erstens habe ich mir immer geschworen, auf den Märkten niemals ein Risiko einzugehen. Als mir beispielsweise alle rieten, um jeden Preis zuerst Russland und dann China zu erschliessen, habe ich immer geantwortet «easy, no stress» und habe es abgelehnt, dort mehr als 5% des Umsatzes zu generieren. Ich bin dem Gleichgewicht der geografischen Verteilung meines Verkaufs mit ungefähr drei gleich grossen Dritteln immer treu geblieben. Gleichzeitig habe ich mich dazu gezwungen, immer stark in die Kommunikation in all diesen Regionen zu investieren, sogar auf den amerikanischen und europäischen Märkten, wo die Medien teuer sind. Das war viel komplizierter als sich auf die einfachen Märkte zu stürzen, ohne sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Ich kann mich dazu heute nur beglückwünschen, denn all unsere Boutiquen laufend hervorragend. Ausserdem habe ich auf eine strikte Regulierung des Wachstums geachtet: Angesichts des Erfolgs hätten wir problemlos ein kommerzielles Kaliber lancieren und Zehntausende von Uhren verkaufen können. Aber nein, ich habe darauf verzichtet und bin meinen ausgefallenen Zeitmessern treu geblieben.Ausserdem strukturierten wir die Kollektion durch Tiefgang, d.h.mit sportlichen, weiblichen und Lifestyle-Produkten. Richard Mille ist nicht mehr eine Nischenmarke, sondern eine Marke, die Nischen abdeckt. Wir versuchen, in jeder Nische eine so hohe Leistung wie möglich zu bieten. Bei den Damenuhren war der Anfang harzig, und wir mussten massiv investieren. Heute machen diese Zeitmesser jedoch bereits 20% unseres Gesamtvolumens aus und sollten bald sogar 30 bis 35% erreichen. Diese Diversifizierung war mir sehr wichtig, denn von ihr hängt die Sicherheit der Marke ab. Ihre gute Gesundheit wird auch durch einen weiteren auf Grün umgesprungenen Indikator sichergestellt: die Verjüngung der Kunden. Gemäss einer neuen Studie der FHH ist Richard Mille die Uhrenmarke, von der die 18-30-Jährigen am meisten träumen. Diese generationsübergreifende Herausforderung gemeistert zu haben erfüllt mich mit viel Stolz, denn als ich die Marke gründete, waren es vor allem Männer in den 50ern, die sich meine Uhren leisteten. Heute haben wir auch viele junge Kunden.

Haben Sie Grenzen?

Wir sind durch unsere Produktionskapazität begrenzt. Alle meine Vertriebspartner rufen mich an und wollen mehr Uhren! Unsere Bestellungen übertreffen derzeit bei Weitem unsere Kapazitäten, und das obwohl wir unsere Produktion steigern: 2015 fertigten wir 3264 Uhren, und in diesem Jahr werden es sicherlich um die 4000 sein. Und doch reicht es immer noch nicht. Ich lasse aber weiterhin Vorsicht walten, denn ich kenne die Grenzen unseres Segments nicht: Wir sind die einzigen mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis von CHF 180 000.– und solchen Volumen. Ich würde auch nicht zögern, die Produktion wenn nötig zurückzuschrauben.

Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

Review overview
})(jQuery)