Home / Business  / Jean-Christophe Babin, CEO, Bvlgari

Jean-Christophe Babin, CEO, Bvlgari

Sie haben gerade eine Manufaktur für Uhrenausstattungen eingeweiht und einigen VIPs die Türen Ihrer Uhrwerksmanufaktur geöffnet. Was sind die Vorteile dieser Fertigungstiefe?

Die Gründung der Abteilung «Ausstattung» ist in der Tat ganz im Sinne einer vor einem Jahrzehnt eingeleiteten Strategie der Fertigungstiefe, denn Bvlgari stellt schon seit Jahren eigene Gehäuse, Zifferblätter und Werke her. Unsere Produktionsanlagen befanden sich an fünf Standorten, und es bedurfte einer effizienteren Gestaltung. Wir haben bereits unser Uhrenkompetenzzentrum in La Chaux-de-Fonds mit unserer Uhrwerkfabrik in Le Sentier zusammengelegt und dort ein multifunktionales Zentrum für Uhrwerke geschaffen, sodass wir viel flexibler und reaktionsfähiger sind. Das ermöglicht es uns, auf der Grundlage von Bestellungen – und nicht nur Prognosen – zu produzieren und somit überflüssige Lagerbestände zu vermeiden sowie kolossale Gewinne zu erzielen. Unsere Wiederbelieferungszeiten sind von acht auf drei Monate gesunken. Unsere Angestellten, die die Uhrwerke zusammensetzen, können ohne Weiteres von einer einfachen Solotempo mit drei Zeigern zu komplizierteren Stücken mit oder ohne Tourbillon übergehen. Die grossen Schlagwerke bleiben natürlich in den Händen der drei spezialisierten Uhrmachermeister. Diese Überlegung lässt sich auch auf unser neues Ausstattungszentrum übertragen, denn auch in der Zifferblatt- und Gehäusefertigung existieren Synergien wie beispielsweise bei Polierarbeiten oder in der Verarbeitung, obwohl diese beiden Berufe unabhängig voneinander bei Bvlgari entstanden. Das ist in doppelter Hinsicht von Vorteil, denn davon profitieren nicht nur unsere Kunden, sondern auch die Mitarbeiter, die sich fachlich weiterentwickeln. Ihnen eröffnen sich daraufhin mehr Karrieremöglichkeiten, was in einem mittelgrossen Unternehmen nicht immer der Fall ist.

Tragen die in nur wenigen Jahren von Bvlgari aufgestellten fünf Flachheitsweltrekorde hinsichtlich des Markenimages bei den Kunden langsam Früchte?

Das ist deutlich zu spüren – sowohl bei unseren Einzelhändlern, die uns mehr Beachtung schenken, als auch dank der steigenden Nachfrage nach unseren Herrenuhren. Gleichzeitig stärkt die Anerkennung unseres Uhrenfachwissens das Interesse an unseren Damenuhren. Die Kundinnen schätzen es, eine Uhr zu tragen, die eine echte Highend-Uhrenmarke für sie konzipiert hat. Das erklärt auch, warum sich Bvlgari ungeachtet der derzeitig schwierigen Marktlage weiterentwickeln kann.

Im Bvlgari-Hotel in Dubai findet im Januar ein Uhren-Event von LVMH statt. Welche Bedeutung hat es für Sie?

Üblicherweise trafen wir zu dieser Zeit im Rahmen des SIHH die internationale Presse sowie unsere Kunden und stellten ihnen unsere Neuheiten vor, damit sie ihr Jahr vorausplanen konnten. Da die Uhrenmessen auf Ende April/Anfang Mai verlegt wurden, ermöglicht dieses LVMH-Stelldichein im Januar es uns, den Elan von 2019 beizubehalten, ohne vier Monate zu verlieren, und Kontakte zu den weltweit besten Uhrenjournalisten und Einzelhändlern der Marken Bvlgari, Hublot, TAG Heuer und Zenith herzustellen. Wir können auf diese Weise schon einen beträchtlichen Teil des Umsatzes 2020 erzielen, während viele andere Marken noch mehrere Monate abwarten müssen. Der Empfang in einem Bvlgari-Hotel bietet einen freundlichen und sehr hochwertigen Rahmen, der sich viel besser für den Aufbau von Partnerschaften eignet als Uhrenmessen. Dieses Event in Dubai ersetzt also unsere früheren Geneva Days, und in Zukunft vielleicht sogar die Baselworld. Das ist noch nicht entschieden.

«Bvlgari kann sich ungeachtet der derzeitig schwierigen Marktlage weiterentwickeln.»

Bvlgari hat eben erst auch an der Dubai Watch Week teilgenommen. Was war Ihr Ziel?

Wir nehmen über unseren Händler Seddiqi daran teil, der sich in dieser Region um Bvlgari kümmert und vor allem für die männliche Kundschaft eine sehr gute und übersichtliche Plattform geschaffen hat. Die Dubai Watch Week bietet eine einmalige Chance, unsere Fachkenntnis im Bereich der Herrenuhren dank unserer fünf Weltrekorde und unserer Auszeichnungen beim Grand Prix d’Horlogerie de Genève hervorzuheben. Die Besucher und Kunden von Seddiqi, die zu unseren Dinners kommen, sollten ein positives Bild von Bvlgari haben.

Die Bvlgari-Uhren verzeichnen eine gute Dynamik. Was erwartet sie 2020?

Aufgrund der Spannungen, die in Hongkong als dem – offiziellen Zahlen zufolge – wichtigsten Exportmarkt für Uhren vorherrschen, schwächelt die Branche deutlich, und wahrscheinlich werden die Auswirkungen auch noch in den ersten Monaten 2020 zu spüren sein. Der starke Rückgang der Touristenzahlen in Hongkong wird nicht durch die Verlagerung auf andere Reiseziele wettgemacht. Auch wenn die Regierungen in Hongkong und China eine Lösung finden, wird das Misstrauen noch monatelang zu spüren sein – genauso wie bei der Gelbwestenbewegung in Frankreich – und die Uhrenindustrie wird darunter leiden. Wie schon während des Rückgangs 2014 beginnt Bvlgari das nächste Jahr aber glücklicherweise mit einer neuen Kollektion, deren positive Effekte 18 bis 24 Monate spürbar sein sollten und es uns ermöglichen werden, ein über dem Marktdurchschnitt liegendes Wachstum zu verbuchen. Die Seduttori-Damenuhren wurden für den Alltag geschaffen und wenden sich an einen neuen Kundenkreis. Ausserdem hat sich die Lucea Skeleton unerwartet zu einem Bestseller entwickelt. Wir werden weiter an diesen Erfolg anknüpfen und bei unserem Event in Dubai zusätzlich weitere sehr interessante Octo-Modelle enthüllen.

Wie verhält sich der weibliche und männliche High-End-Markt?

Bvlgari verzeichnet sehr gute Zahlen bei der Octo Tourbillon Sapphire, die die Kunden manchmal mit personalisierten Mittelteilbändern in Jade oder anderen Edelsteinen bestellen, und deren Preise daraufhin auf CHF 400 000.– oder CHF 500 000.– steigen können. Der Erfolg des oberen Luxussegments lässt sich auch im Bereich der Haute-Joaillerie-Damenuhren mit kleinen Komplikationen, wie beispielsweise einem Tourbillon, ablesen. Dieses Segment macht schon einen Grossteil unseres Geschäfts aus, und wenn ich mir so anschaue, was bei den anderen Marken geschieht, besteht hier noch ein bedeutender Spielraum nach oben.

Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

Review overview
})(jQuery)