Nayla Hayek : CEO von Harry Winston Inc.

Welche Prioritäten hatten Sie im März 2013 bei Ihrem Amtsantritt?

Aufgrund der Diskussionen mit unseren Kunden haben wir beschlossen, die Qualität der Uhren sowie die in den Boutiquen angebotenen Schmuckmengen zu erhöhen. Das Design der Uhren von Harry Winston wurde nie in Frage gestellt, wozu die sehr kreative Saga der von Künstlern der Uhrmacherei entwickelten Opus-Werke sicherlich beigetragen hat. Weniger zufrieden waren unsere Kunden mit der Zuverlässigkeit des technischen Inhalts, weshalb wir diesen Aspekt sofort in Angriff genommen haben. Wir überprüften neben den Werken auch den Gehäuseaufbau und die Fertigung der Bandanstösse, deren Tragekomfort optimierungsbedürftig war. Wir streben nach unfehlbarer Qualität in allen Bereichen. Die früheren Besitzer hatten den Produktionsstopp der Avenue-Linie beschlossen. Aufgrund ihres Symbolcharakters haben wir diese Entscheidung aber rückgängig gemacht. Wir möchten Damen nicht nur Schmuckuhren, sondern ein breit gefächertes Angebot garantieren.

 

Und wie steht es um die Juwelierkunst?

Historisch gesehen befinden sich die Werkstätten für hohe Juwelierkunst von Harry Winston in der 5th Avenue in New York, wo wir auch unser Hauptquartier für die Schmucksparte belassen haben. Für die Uhrensparte schien uns jedoch ein Umzug in die Genfer Manufaktur vorteilhafter. Um die Zufriedenheit unserer Kunden zu steigern, haben wir in der Schmucksparte zwei grundlegende Veränderungen vorgenommen: Einerseits eröffneten wir eine zweite Werkstatt, um die Produktionskapazität zu verdoppeln, und andererseits investierten wir in Edelsteine, um weniger Kommissionsgeschäfte zu tätigen. Dank dieser beiden Massnahmen verfügen wir heute in unseren immer zahlreicheren Boutiquen über mehr Lagerbestand und mehr Auswahl.

 

Welche Expansionen sind geplant?

Harry Winston wird nie zu den Marken mit einer Boutique an jeder Strassenecke zählen. Zu Beginn des Jahres hatten wir rund 20 Boutiquen, Ende 2015 sollten es aber dennoch rund 30 sein. Wir vergrössern einige der bestehenden Verkaufspunkte wie in Beijing und haben unlängst neue Boutiquen in Cannes, Las Vegas, Hawaii, Macao und sogar drei in Japan eröffnet. In den kommenden Monaten folgen Dubai, Istanbul, Miami und Rom sowie eine zweite Schweizer Boutique in St. Moritz in diesem Winter. Ausserdem werden wir unsere Kunden erstmals auch in Deutschland auf vier Etagen in Düsseldorf begrüssen können! Unser in Genf stationierter Vertriebsverantwortlicher leitet ausserdem ein internationales Netz von 200 Einzelhändlern.

 

Was ist Ihre bedeutendste Entwicklung in der Juwelierkunst und in der Uhrmacherei?

Wir planen keine Revolution der Schmuckkollektionen von Harry Winston, sondern vielmehr eine Ausweitung und wollen diesen Kollektionen gleichzeitig mehr Leben einhauchen. Unsere Kernkollektionen bleiben die Linien Iconic, Cluster und Incredibles. Platin und Diamant sind ein Muss. Vielleicht werden wir neue Kreationen in Gelb- oder Weissgold in einem erschwinglicheren Segment anbieten. Wir haben soeben die neue Kollektion Secret by Harry Winston lanciert, die dem Erbgut und der Geschichte unserer Marke treu bleibt und bei der jedes Modell ein Geheimnis birgt. Wir werden zukünftig noch mehr Damenmodelle anbieten, vor allem mit Automatikwerken und kleinen Komplikationen. Bei den Schmuckuhren werden wir für unsere Einzelhändler angemessenere Varianten anbieten, denn unsere Wahrzeichenmodelle in den Boutiquen kosten bis zu einer Million Franken. Männer wird es freuen, dass die Opus-Saga nach der Baselworld weitergeht. Dort werden unsere Teams nicht nur die Z9 der Sportlinie in Zalium enthüllen, sondern auch die Fortsetzung des Konzepts Histoire de Tourbillon, bei dem übrigens bereits die Entwicklungen für die Varianten 6, 7, 8 und 9 laufen! Ganz allgemein werden alle Werke für Herren- und Damenmodelle von Blancpain oder der in die Swatch Group integrierten Manufaktur ETA speziell für Harry Winston entwickelt.

 

Die Neuheiten an der Baselworld 2014 überzeugten vor allem durch herausragende Zifferblätter. Ist das ein neuer Trend?

Ausgefallene Zifferblätter sind für Harry Winston typisch. Die unter dem Namen Métiers d’Art lancierte Linie Premier zeugt von ausserordentlicher Kreativität und wird an der nächsten Baselworld mit noch innovativeren Zifferblättern aufwarten. Auch wenn man uns kopieren wird, waren wir die Pioniere.

 

Ist Ihre Leidenschaft für Pferde noch nicht zur einer Inspirationsquelle für Harry Winston geworden?

Es ist nur natürlich und verlockend, sich von dem, was man liebt, inspirieren zu lassen. Ich glaube jedoch leider nicht, dass der Reitsport und Harry Winston zusammenpassen! Wir machen diesbezüglich keine Vorstösse, ausser wenn gemäss dem chinesischen Kalender das Jahr des Pferdes kommt, aber das wird sicherlich keine Marke ignorieren.

 

Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der vor einem Jahr in Genf eingeweihten Boutique?

Die Eröffnung jeder Boutique ist eine Genugtuung und deckt längerfristig Verbesserungspotenzial auf. Genf macht da keine Ausnahme. Zumal im vergangenen Jahr weniger Touristen an den Genfersee kamen als sonst und wir für 2015 wieder auf mehr Zustrom hoffen. Die Harry-Winston-Kunden sind traditionsgemäss lokale Kunden sowie vor allem arabische, asiatische, russische und amerikanische Touristen. In Genf war es besonders interessant, dass die regionalen Kunden unsere Welt entdecken und einen ersten Kauf tätigen konnten. Dabei handelte es sich um Uhren, Verlobungsringe und Charms sowie einen signifikanten Anteil an Uhren. Unser Uhrensegment beginnt bei knapp unter 20 000 Franken. Nicht schlecht für einen ersten Kontakt, oder?

 

Nayla Hayek ist ebenfalls Präsidentin des Verwaltungsrats der Swatch Group.


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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