Zuerst musste ich mich mit dem Erbgut von Tiffany vertraut machen. In den ersten Wochen verbrachte ich viel Zeit in den Archiven, um zu erfahren, wer wir sind und was wir seit den ersten Tiffany-Uhren 1868 gemacht haben. Ich finde, dass es für nachhaltigen Erfolg unabdingbar ist, den eigenen Wurzeln treu zu bleiben. Zu viele Marken verlieren ihre Identität, nur um neuen Kunden nachzulaufen, und kommen dann nie wieder auf einen grünen Zweig. Ich habe ein unglaublich umfassendes Uhrmacher-
erbgut mit Patenten und Auszeichnungen an bedeutenden internationalen Wettbewerben* entdeckt. Anschliessend habe ich mich intensiv mit Designstudien und Anpassungsmöglichkeiten auseinandergesetzt, damit unsere erste Kollektion CT60 auf unsere Vergangenheit verweist und dieses in Vergessenheit geratene Erbgut symbolisiert. Wir wollten der uhrmacherischen Glaubwürdigkeit von Tiffany & Co. neues Leben einhauchen, und zwar in allen Bereichen, vom Kunsthandwerk bis zur unvergleichlichen Detailliebe. Schliesslich besass die Marke einst eine eigene Manufaktur in Genf. Gleichzeitig rekrutierten wir Fachleute für all diese Gebiete, vor allem für unsere Niederlassung in der Schweiz, bauten ein Netzwerk ultrakompetenter Lieferanten für alle Bestandteile auf und starteten mit der Schulung unserer eigenen Teams.
Ist Tiffany nach 2015 nicht mehr mit Tiffany von davor zu vergleichen?
Die Uhrmacherei ist für Tiffany & Co. ein strategisch bedeutendes Projekt. Die Marke hat langfristig grosse Summen in Marketing, Produktion, Boutiquen und Personalwesen investiert. Nur weil man in den eigenen Boutiquen Schmuck verkauft, kann man den Verkauf von Uhren nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln. Wir wollen ja auch nicht als Juwelier, der Uhren verkauft, wahrgenommen werden. Es braucht einen holistischen Ansatz: Wir müssen die Inneneinrichtung unserer Boutiquen sowie auch die Philosophie unserer Mitarbeitenden verändern, damit diese Vertrauen in ihre Produktkenntnisse gewinnen. Wir haben begonnen, unter Mithilfe von 38 internen Ausbildern und externen Beratern 3700 Mitarbeiter weltweit zu schulen. Die Boutiquen werden umgebaut, um spezifische Uhrenzonen zu integrieren. Wir verwenden dafür andere Materialien und eine besonders maskuline Dekoration wie in den Boutiquen in Chicago und Genf, die zu Beginn des Jahres bzw. im Mai eröffnet wurden.
Wie viel Zeit lassen Sie sich bis zum Erfolg?
Wie gesagt handelt es sich um ein langfristiges Projekt, das das Image von Tiffany stärken und die Marke als globalen Player im Luxussegment verankern wird. Wir sind heute ein Juwelier, der sehr viel mehr Produkte verkauft als die meisten seiner Konkurrenten. Die Uhrmacherei eröffnet uns neue Möglichkeiten sowie Einsparungen durch Synergien. Dieser neue Ansatz ist bei Tiffany mit Begeisterung aufgenommen worden, und selbst wenn die amerikanische Kultur an Schnelligkeit gewöhnt ist, sind sich alle bewusst, dass es sich um eine ganz andere Welt handelt und sicherlich mehrere Jahre benötigt werden. Wenn man sich an Marken wie Chanel und Richard Mille orientiert, denen in den letzten Jahren der Durchbruch gelungen ist, stellt man fest, dass auch die schnellsten von ihnen fünf bis zehn Jahre brauchten.
Was sind Ihre prioritären Kundenzielgruppen?
Der grösste Vorteil für Tiffany wird die Eroberung neuer Kunden sein. Dafür starten wir mit jenen, die unseren 300 Boutiquen einen Besuch abstatten. Unsere Hauptzielgruppe sind Männer zwischen 35 und 50 Jahren mit einer Vorliebe für amerikanisches Design, die eine einfache, aber elegante Uhr mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis möchten. Sehr viele davon kommen zu uns in die Boutiquen, um ihren Auserkorenen ein Schmuckstück zu kaufen. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir auch den Multimarken-Einzelhändlern die Möglichkeit geben, ihren Kunden unsere Uhren anzubieten.
Wie schätzen Sie den Schweizer Markt ein?
Fast überlaufen! Unsere brandneue Genfer Boutique mit ihren 550 Quadratmetern auf zwei Etagen soll jedoch unser Flagship-Store für die Uhrmacherei werden und die grösste Auswahl an Uhren und Sonderserien führen. Wir hoffen dort auf Schweizer Kunden sowie natürlich Expats und Touristen. Es ist unsere grösste Boutique in Europa, und die Schweiz muss für die Uhren zum Pendant von New York für den Schmuck werden. Wussten Sie, dass unser Flagship-Store in der 5th Avenue nach dem Apple Store den weltweit zweitgrössten Umsatz aller markeneigenen Boutiquen verzeichnet? Eine der fünf Etagen ist nur Patek Philippe vorbehalten.
Welche Beziehung unterhalten Sie mit Patek Philippe?
1854 war Tiffany der erste amerikanische Einzelhändler von Patek Philippe. Heute verkaufen neun unserer Boutiquen die Produkte dieser Uhrenmarke. Wir entwickeln regelmässig gemeinsam Tiffany-Sonderserien, die an Auktionen manchmal zu einem deutlich höheren Preis versteigert werden als normale Referenzen. Wir haben Patek Philippe wie gewohnt an der Baselworld besucht.
2003 hatten Sie Ihr eigenes Unternehmen gegründet. Sie sind ein Unternehmer, fehlt Ihnen das nicht?
Absolut nicht. Im Grunde genommen ist es genau das Gleiche! Ich habe vor zwei Jahren ganz alleine begonnen, die Uhrensparte von Tiffany aufzubauen. Mit dieser Schlagkraft in der Hinterhand geht natürlich alles leichter und schneller, vor allem bei den Zulieferern. Gleichzeitig habe ich selbstverständlich auch viel mehr Verantwortung als je zuvor. Meine Arbeit macht mir sehr viel Spass. Ich bin mit genauso viel Herzblut dabei, habe aber einen Gang höher geschaltet!
*Lesen Sie diesbezüglich unter worldtempus.com «Tiffany & Co. The return of the American giant».