Richard Mille : Wir arbeiten an einer der komplexesten Uhren aller Zeiten.
Bei Weitem die ungeheure Anzahl Kunden, die Mille-Uhren sammeln. Letzte Woche fragte mich einer von ihnen in den USA nach dem Programm 2014, weil er alle zwei Monate eine Mille kauft. Kurz zuvor schickte mir ein Liebhaber und Sammler der Marke ein Foto von den rund 50 Zeitmessern, die er sein Eigen nennt. Es gibt Hunderte von Menschen, die drei, vier, fünf oder gar zehn RM besitzen. Ich finde dieses Phänomen überwältigend.
Wann sagten Sie sich «es hat geklappt»?
Nie. Meine Businesspläne waren immer vernünftig, mit genügend konservativen Rentabilitätsschwellen, um nicht in die roten Zahlen abzurutschen und die unvermeidlichen Lieferverspätungen überstehen zu können. Diese Vorsicht behalte ich auch mit steigendem Alter bei, und meine beiden Hirnhälften gleichen sich noch korrekt aus: eine ist total durchgeknallt und erlaubt es mir, mich mit technischen Entwicklungen auszutoben, während die andere die gesicherte Produktion sowie die Diversifizierung der geografischen Märkte überwacht. Es lag mir am Herzen, die Kollektionen sehr schnell auch mit Damenmodellen sowie mit runden und rechteckigen Gehäusen auszustatten. Unsere Businesspläne lagen auch immer unter unserem Marktpotenzial. Als ich die ganze Produktion in Asien hätte verkaufen können, zwang ich mich, auch den amerikanischen und den europäischen Markt aufzubauen. Wir haben gerade unser internationales Seminar hinter uns. Unser Bestellportfolio entspricht zwei Jahren Produktion. Und doch habe ich allen gesagt, sie sollen einen kühlen Kopf bewahren. Dank dieser Strategie kann ich nachts gut schlafen.
Hat sich der Prozess für die Entwicklung neuer Modelle zwölf Jahre nach Ihrem Debüt sehr verändert?
Wir haben immer noch einen etwas aussergewöhnlichen Ansatz: Wenn mir ein Konzept einfällt oder jemand mir eine technische Entwicklung vorschlägt, führen wir eine grobe Machbarkeitsanalyse durch und legen dann los. Da unser Konzept von Anfang an auf der Entwicklung eines Produkts und anschliessend der Preisermittlung aufgrund des Selbstkostenpreises fusst, wird die Kreativität nicht ausgebremst. Die Werkstoffe sind teuer? Macht nichts. Es ist mit langer Forschung und Entwicklung zu rechnen? Na und? Das ist das Erbgut der Marke. Genau das liebe ich und genau das erwarten meine Kunden. Das gilt auch für die Fliegeruhr, an der wir seit drei Jahren arbeiten und bei der wir in Verzug sind. Aber es handelt sich auch um eine der komplexesten Uhren der gesamten Uhrengeschichte mit über 1000 Bestandteilen. Wenn ich von Anfang an alles hätte bis ins Detail planen wollen, hätte ich das Projekt nie gestartet. Im obersten aller Luxussegmente werden die Uhren in nur wenigen nummerierten Exemplaren aufgelegt, und der Rest wird im Laufe der Entwicklungen in kleinen Mengen neu interpretiert.
Auf welche Neuheit 2014 sind Sie am stolzesten?
Unter den zahlreichen Neuheiten 2014 zeichnet sich die Loeb-Uhr als besonders interessantes Wesen ab. Die Ausführung von Lifestyle-Stücken hat grossen Erfolg und gefällt mir gut. Ich fühle mich aber auch dazu verpflichtet, sehr technische Modelle anzubieten, die zweifellos in den kommenden Jahren ein Must für Sammler bleiben werden. Das gilt für die RM 031, von der kaum gesprochen wurde und die kein grosser Verkaufsschlager ist, weil sie visuell weniger spektakulär ist. Ihre chronometrischen Leistungen ähneln jedoch denen einer Quarzuhr (mit einer Abweichung von 1 bis 20 Sekunden pro Monat). Und trotzdem interessiert dieses Vorbild an Leistung, sicherlich die präziseste mechanische Uhr der Welt, weniger als die Blake oder die Nadal.
Richard Mille ist im Sport allgegenwärtig. Haben Sie schon einmal über Partnerschaften im Bereich Kunst nachgedacht?
Ja, natürlich. Ich habe immer gesagt, dass die hohe Uhrmacherkunst weltoffen sein muss, und das gilt ganz besonders gegenüber der Kunst. In diesem Jahr haben wir mit dem japanischen Künstler Takashi Murakami und der Galerie Perrotin in Hongkong genau diesen Ansatz verfolgt und werden nächstes Jahr mit meinem Freund Benjamin Millepied von der Pariser Oper sowie dem Concours Chantilly Arts & Elegance Richard Mille genau dort weitermachen. Wir haben ausserdem den von Pablo Picasso mitgegründeten Verlag Cercle d’Art übernommen, um ihn durch Diversifizierung mit einer neuen Rolle als Kreativagentur langfristig weiterzuführen.
Was braucht es, damit sich eine Uhrenmarke von ihrem gleichnamigen Gründer lösen kann?
Ich tue alles, was in meiner Macht steht, um dafür zu sorgen, denn niemand ist unvergänglich (auch wenn ich noch jung bin!), doch gleichzeitig bin ich ein ausgeprägt interventionistischer Mensch. Ich kann es nicht lassen, mich auch um Produktionspläne, Kommunikationsbudgets und Kundendienst zu kümmern. Es könnte durchaus sein, dass Sie mich an meinem SIHH-Stand beim Zuschneiden von Teppichstücken sehen! Zum Glück gelingt es mir nun langsam, alles mit etwas Abstand zu betrachten.
Die Superreichen als Ihre Zielgruppe werden immer zahlreicher. Planen Sie einen Produktionsanstieg?
Eine Herabstufung der Marke kommt nicht in Frage, und die Herstellung unserer Modelle bleibt unverändert komplex. Die wertmässig ständig wachsenden Verkaufszahlen sind in erster Linie der Anhebung des Durchschnittspreises unserer Uhren zuzuschreiben, der derzeit bei fast CHF 150 000.- liegt. Ich kann es kaum glauben! Der Umsatz lag 2012 bei 110 Millionen und 2013 bei 130 Millionen. 2016 sollten wir bei über 180 Millionen angelangt sein. Seit Jahren kündige ich an, dass wir über 3000 Stück pro Jahr verkaufen könnten, was 2014 logischerweise der Fall sein wird. Und doch werden wir bei einer Produktion von einigen wenigen Tausend Uhren bleiben.
Womit müssen Ihre Kunden in den kommenden zwölf Jahren rechnen?
Wie immer mit vielen neuen Überraschungen. Die Quelle versiegt garantiert nicht. Es gibt unendlich viele Erneuerungsmöglichkeiten für Richard-Mille-Uhren, natürlich ohne etwas zu wiederholen. Am SIHH 2014 präsentieren wir die Baby Nadal und die neue Bubba Watson sowie vor allem die signifikant erweiterte Damenkollektion. Seit wir die für Damen entwickelte RM 007 mit einem sehr leistungsstarken und mit herausragenden Vollendungen verzierten hauseigenen Kaliber ausgestattet haben, konnten wir in diesem Segment an Selbstvertrauen zulegen. Die Materialforschung, bei der die Marke schon immer eine Vorreiterrolle spielte, bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, und das wird auch so bleiben. Die Nutzung von Werkstoffen ist für mich aber nur dann sinnvoll, wenn sie dem Modell einen konkreten Vorteil verschaffen und wenn sie genügend getestet wurden, um ihre Allergiefreiheit und ihre Zuverlässigkeit über 30 oder 40 Jahre zu garantieren. Weltoffenheit bietet unzählige Möglichkeiten!