Anfang Mai. Die Gespräche begannen Ende Januar, und nach der Baselworld ging alles plötzlich sehr schnell. Nach dem Auswahlverfahren bestätigte Bernard Arnault die Entscheidung.
Was sind Ihre Prioritäten für die nächsten drei Jahre?
Kommunikation, Produkte und Vertrieb. Angesichts des harten Imagewettbewerbs, bei dem sich alle Marken mit ihren Botschaftern ins Rampenlicht rücken, braucht TAG Heuer unbedingt eine neue Werbekampagne, um eine klarere und unmissverständlichere Botschaft zu übermitteln. Wir müssen eine grössere Wirkung erzielen und uns stärker von der Konkurrenz abheben, um unsere Werte zu betonen und sie anschliessend bei sämtlichen Elementen unserer Kommunikation zum Tragen zu bringen. Bei den Produkten waren wir sehr innovativ und haben das Angebot kräftig ausgebaut. Die Fortschritte, die TAG Heuer in so kurzer Zeit in der hohen Uhrmacherkunst verzeichnen konnte, sind und bleiben herausragend. Die Auszeichnung Aiguille d’Or am Grand Prix d’Horlogerie de Genève liefert dafür den schlagenden Beweis. Jetzt gilt es aber noch, eine Brücke zwischen der Pyramidenspitze und den günstigeren Kollektionen insbesondere im Segment von 5000 bis 8000 Euro zu schlagen, das ich verstärken möchte. Ab einem bestimmten Preisniveau ist es jedoch einfacher, uhrmacherische Inhalte anzubieten. Wir werden hier von der bemerkenswerten Steigerung unserer Produktionskapazitäten bei den Werken profitieren können. Vor zehn Jahren waren in unserer Industriesparte weniger als 200 Mitarbeiter beschäftigt, Ende 2013 werden es 1000 sein. Diese Vertikalisierung der Manufaktur wird auch die Entwicklung eines Uhrwerks ohne Chronograph als Schlüssel zum chinesischen Markt ermöglichen. Die dritte Priorität ist der Vertrieb, den wir verbessern müssen. Einerseits gilt es bei den 4300 Einzelhändlern, deren Anzahl sicherlich um 10% sinken wird, die Präsentationsqualität unserer Produkte zu optimieren, und andererseits möchten wir die Kundenerfahrung in unseren 180 TAG-Heuer-Boutiquen, deren Anzahl um etwa 20% steigen soll, bis Ende 2013 aufwerten. Das ist ein für unsere Marke relativ neuer Bereich, in dem wir noch professionellere Teams brauchen und die Produktivität der Boutiquen erhöhen müssen, um den Kunden die unglaubliche Vielfalt von TAG Heuer gebührend zu präsentieren.
Welche Lehren ziehen Sie aus Ihren drei Jahren in der amerikanischen Niederlassung?
Praktische Lehren. Nach 17 Jahren am Hauptsitz, wo ich mich zuerst um technische Entwicklungen, dann um Produktstrategie und schliesslich um Marketing und den Ausbau unserer Boutiquen kümmerte, konnte ich als Vizepräsident Verkauf USA und Kanada die Strategie konkret umsetzen: lokale und konkrete Situationen und Probleme angehen, die Bedeutung einer guten Kommunikation zwischen Hauptsitz und Niederlassungen erkennen sowie die Beziehungen mit kleinen Einzelhändlern und grossen Verkaufsketten pflegen. Am Markt muss man mehr Pragmatismus an den Tag legen, das Tagesgeschäft managen und ist mit der Unbarmherzigkeit der Konkurrenz in den Verkaufsstellen konfrontiert.
Wie hat sich das Umfeld für die Uhrenindustrie allgemein und für TAG im Besonderen während dieser Zeit verändert?
Gerade der Vertrieb hat sich am stärksten verändert. Einerseits ist er geschrumpft, weil die Marken sich zunehmend auf bestimmte Verkaufspunkte konzentrieren, in denen Regalmeter hart verhandelt werden. Andererseits gibt es immer mehr Markenboutiquen. Gleichzeitig haben die Marken begonnen, genau wie auch TAG Heuer in den USA, ihre Zeitmesser über ihre offiziellen Internetauftritte zu verkaufen. Die von der Swatch Group angekündigte Reduktion der Uhrwerkslieferungen hat einen Vertikalisierungswettlauf in der Industrie ausgelöst, den ich als gute Gelegenheit sehe, um unsere Innovationen bei serienmässig gefertigten Werken genauso wie das Label Swiss Made zu stärken.
Was brachte Ihnen Ihre frühere Arbeit im Bereich Produktentwicklung?
Alles Wesentliche! Das ist das A und O unseres Berufs, denn nur wer den Kunden kennt, kann auch seine Erwartungen verstehen. Es ist äusserst wichtig zu wissen, welches Produkt welcher Kundengruppe und auf welchem Markt gefallen wird. Ich habe in den Jahren, in denen ich mich auf diese Aspekte konzentrierte, enorm viel über das Design unserer Uhren sowie der Modelle der Konkurrenz gelernt. Die Analyse von Erfolgen und Misserfolgen je nach geografischer Zone liefert einen strategisch wichtigen Vorteil, weil somit kostspielige Fehler bei Produktlancierungen vermieden werden können. Die Entwicklung eines Produkts nimmt eineinhalb Jahre in Anspruch, die Lieferung in alle Länder dauert weitere sechs Monate, und dann muss man ein Jahr warten, um abschätzen zu können, wie gut das Modell bei den Kunden ankommt. Fehleinschätzungen sind dabei verheerend!
Auf welche Kreationen an beiden Enden der Produktpalette sind Sie besonders stolz?
Im oberen Segment bin ich weiterhin sehr stolz auf die Monaco V4, denn sie bildete den symbolischen Auftakt für die Innovationskraft von TAG Heuer in der hohen Uhrmacherkunst. Damals fingen wir bei null an, weil wir natürlich nicht über die Ressourcen von heute verfügten. Das Konzept wurde 2002 erstellt, 2004 präsentierten wir das Produkt, und dann kostete es uns vier weitere Jahre, um das Projekt durch das Zusammenstellen von Teams abzusichern, vor allem durch Talente ausserhalb der Uhrmacherei wie Guy Semon, der heute die 40-köpfige Forschungs- und Entwicklungsabteilung leitet. Dann waren wir gewappnet, um in der hohen Uhrmacherkunst neue Errungenschaften zu wagen, deren Krönung die Mikrogirder als erste Uhr ohne Unruh mit einer Präzision auf die Fünftausendstelsekunde ist. Im mittleren Segment glaubte ich 2004 an das enorme Potenzial der Carrera, die damals 3% des Umsatzes ausmachte. Wir haben sie überarbeitet und etwas erschwinglicher gemacht, sodass sie heute als Bestseller 40% des Umsatzes bestreitet.
Was bezwecken Sie mit Ihrem neuen Engagement im Rennsport für Elektrofahrzeuge?
TAG Heuer ist seit den 50er-Jahren im Automobilrennsport aktiv und hat somit die grösste Legitimität in diesem Sektor. Das trifft nicht nur auf das Sponsoring, sondern auch auf die in diesem Zusammenhang entwickelten Produkte zu. Auch wenn unser Engagement in der Formel E ein Risiko darstellt, weil sie ja noch in den Kinderschuhen steckt, möchten wir wie immer zur Avantgarde gehören. Eine umweltfreundliche Formel 1 zu entwickeln ist ausserdem lobenswert, und deshalb können wir solche Initiativen nur unterstützen.
Glauben Sie, dass der von Ihnen gesponserte Katamaran Oracle den America’s Cup gewinnt?
Im Sport ist nichts sicher, aber Oracle hat im vergangenen Jahr die America’s Cup World Series gewonnen. Heute beherrscht das Team die AC72 perfekt und kennt die Gewässer vor San Francisco wie seine Westentasche. TAG Heuer sponsert auch das Schweizer Team Tilt, das sich für den Youth America’s Cup qualifiziert hat, und zählt dort zu den Favoriten. Der Herbst wird überaus sportlich sein.