Interview: Steve Amstutz – Vizepräsident, Chief Commercial Officer, Parmigiani Fleurier
Wo steht Parmigiani Fleurier heute?
Die Marke hat in einer kurzen Zeit drei Phasen durchlaufen: eine schwache Phase unter der früheren Leitung bis Ende 2015, eine Übergangsphase im Jahr 2016, die von einer grundlegenden Bearbeitung des Produktportfolios und einer neuen Geschäftsleitung geprägt war, zu der ich Ende 2016 gestossen bin. Ich habe neue Kompetenzen in die Marke eingebracht, um die vom Team 2016 definierten Elemente zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen und die neue Vision zu vermitteln. Die dritte Phase hat mit dem SIHH 2017 begonnen, bei dem das neue Angebot augenblicklich überzeugt hat, insbesondere das wiederbelebte Einstiegssegment. So ist zum Beispiel ein Beststeller wie die Tonda 1950, die zuvor allein als Goldversion erhältlich war, nun dank einer Edelstahl-Variante mit dem gleichen Werk (mit Ausnahme des Mikrorotors, der nicht mehr aus Platin, sondern aus Wolfram ist) erschwinglicher. Das Gleiche gilt für unseren meistverkauften Chronographen Tonda Métrographe, dessen Zifferblatt mit minimalistischem Design Kunden mit einer Vorliebe für Schlichtheit gefällt. Er wird in einer Edelstahl-Version für CHF 11 500 angeboten. Dieses Modell landet sehr schnell auf dem Verkaufstisch der Boutiquen und wird mit denen der grössten Marken hoher Uhrmacherkunst verglichen.
Auf der einen Seite bekommt unser Einstiegssegment neuen Schwung und die Kunden verlangen die Modelle, die sie aus unseren Werbekampagnen kennen, auf der anderen Seite hat aber auch das Segment der hohen Uhrmacherkunst infolge einer strategischen Neupositionierung unserer Preise wieder an Dynamik gewonnen. Das Geschäft mit aussergewöhnlichen Stücken wie der Bugatti Super Sport wurde so neu belebt und hat unsere Erwartungen übertroffen. Wir sind heute besonders stolz darauf, ein sehr starkes zweistelliges Wachstum zu verzeichnen und festzustellen, dass in unserem Haus ein frischer Wind weht.
«In diesem Haus weht ein frischer Wind.»
Wie definieren Sie Ihre neue Markenvision?
Sie ruht auf den vier Pfeilern, die ich gleich ausführen werde. Zusammenfassend könnte man sogar sagen, dass die Einzigartigkeiten der vier Elemente insgesamt die Besonderheit von Parmigiani Fleurier ausmachen: ein aktiver Gründer, Restaurierungen, hohe Uhrmacherkunst und ein komplett vertikalisierter, unabhängiger Swiss-made-Konzern. Michel Parmigiani ist die Seele der Marke. Er ist sehr gefragt und folglich oft auf Reisen. Ausserdem ist er die Inspiration für den zweiten Pfeiler, die Restaurierungen. Wir bilden einen Einzelfall in der Uhrmacherbranche, denn wir restaurieren auch Stücke anderer Marken mit einer ähnlichen Positionierung wie unsere. Dann wäre da noch unsere Verankerung in der hohen Uhrmacherkunst, die wir in unserer Marketing-Kampagne für den extraflachen Tourbillon der Tonda 1950 oder für die Tonda Chronor in Anspruch nehmen. Meines Erachtens verkörpert diese Uhr mit ihrem Manufakturwerk aus Massivgold, einem Schleppzeigerchronographen mit zwei Säulenrädern und 36 000 Halbschwingungen, dem Grossdatum auf einem Zifferblatt aus Grand-Feu-Email heute die Marke am besten und ist übrigens die einzige, die Michels Signatur (auf dem Federhaus) trägt. Es handelt sich um eine auf 50 Exemplare limitierte Sonderserie, von denen im Durchschnitt zwei pro Monat gefertigt werden. Den vierten Pfeiler bildet unsere vertikalisierte Produktion: Atokalpa für Regulierorgane und Spiralen, Elwin für Schrauben und Triebe, Vaucher Manufacture für die Uhrwerke und die Einschalung, Quadrance für die Zifferblätter und Les Artisans Boîtiers für die Gehäuse. Diese 4 Elemente unterscheiden uns von anderen Marken hoher Uhrmacherkunst und vermeiden jede Debatte – insbesondere was die Frage des Swiss Made angeht. Daher lautet unser Slogan: «s’il ne devait y en avoir qu’une» (Sollte es nur eine geben).
Welches ist Ihr emblematischstes Modell 2017?
Ohne Zweifel der Toric Chronomètre mit Chronometer-zertifiziertem Werk, da es sich hierbei um eine Neuinterpretation eines historischen Modells aus Michels erster Kollektion unter der Marke Parmigiani Fleurier von 1996 handelt. Er steht im Zentrum unserer Werbekampagne, welche die unglaubliche Kunst des manuellen Rändelns auf geneigter Fläche als Spiegelbild eines immensen Fachwissens in Szene setzt. Wir freuen uns, in aller Bescheidenheit sagen zu können, dass die Nachfrage unsere Produktionskapazitäten übersteigt. Beliefen sich die Verkaufszahlen all dieser Zeitmesser früher noch auf Dutzende, so gehen sie heute in die Hunderte. Wir sind den Kunden entgegengekommen, die sich ein sehr hochwertiges Produkt zu einem erschwinglicheren Preis wünschen.
«Michel Parmigiani ist die Seele der Marke.»
Welchen Wert hat es für Sie, dass drei Ihrer Uhren für den Grand Prix d’Horlogerie de Genève 2017 ausgewählt wurden?
Das ist wichtig. Und erst recht, wenn wir das Glück haben, in einer der Kategorien ausgezeichnet zu werden! Der GPHG hat eine internationale Reichweite, was den Bekanntheitsgrad von Parmigiani Fleurier erhöht und uns überdies hilft, unseren Namen zu entmystifizieren. Die Selektion drei unserer Uhren durch die Jury ist für uns ein deutliches Zeichen der Anerkennung dessen, was die Marke zurzeit hervorbringt. Das beruhigt die Kunden, die ihre Anlage nachhaltig sichern möchten. Sowohl die Tonda Chronor als auch die Toric Hémisphères Rétrographe oder die Tonda Métropolitaine Sélène Galaxy sind der Ausdruck des Fachwissens unserer vollständig vertikalisierten Uhrensparte.