Anita Porchet, die Tochter des Feuers

Hunderte von Flakons voller bunter Glassteine stehen auf den Regalen dicht beieinander. Namen wie Memphis- und Alexandrablau, Otter- und Vampirgrau, opalisierendes Rot oder Heckenrose zeugen von den vielen Nuancen, die sich auf Anita Porchets Palette wiederfinden. Ihr Schreibtisch verschwindet unter Holzschatullen mit alten, zu Pulver gewordenen Emails unter winzigen Paletten mit Farbvariationen, unfassbar feinen Pinseln und einem Mörser aus Achat. Ganz hinten steht ein Brennofen, und jenseits der Glasfront rollen endlose Felder ihren grünen Teppich aus. In der vollkommenen Stille ihres Ateliers umgibt sich Anita Porchet nur mit dem Notwendigsten. Keine Maschine, kein Computer, gerade mal ein Binokularmikroskop, mit dem sie ihre Handgriffe verfolgen kann. Gelernt hat sie diese bei den Grössten ihres Fachs: Elisabeth Juillerat und Suzanne Rohr. Sie haben ihr gezeigt, wie man das Glas meistert, und sie in die Geheimnisse des Feuers eingeweiht. Sensibilität und Erfahrung taten ihr Übriges. «Das nennt man Know-how», betont die Emailleurin, «und um sich das zu erarbeiten, braucht man Zeit.» Die ersten emaillierten Uhren von Anita Porchet gehen auf die Mitte der 90er-Jahre zurück. Damals verwirklichte sie im Auftrag von Patek Philippe ihre ersten Zifferblätter. Viele andere prestigeträchtige Häuser folgten. Ihre Hände wurden geschickter, das Auge wurde schärfer. So sehr, dass ihre Signatur im Laufe der Jahre nicht mehr wegzudenken war. Aus der Begegnung des Feuers mit dem opaken, pulverisierten und mit Öl vermischten Glas gehen fabelhafte Miniaturmalereien, Nachbildungen von Meisterwerken oder eigene Kreationen der Handwerkskünstlerin hervor. Wenn die Hitze auf die Goldplatte einwirkt, deren Vertiefungen mit aufgeschmolzenen Emailschichten gefüllt sind, treten grazile, nach der Grubenschmelztechnik aufgetragene Motive ans Licht. Anita Porchet beherrscht auch die Paillonné-Technik, bei der mikroskopisch kleine Goldblättchen ins Email eingebettet werden. Und natürlich das Zellenschmelzverfahren, bei dem die Konturen eines Motivs durch einen Golddraht gebildet werden, der feiner ist als ein Haar. Zunächst wird das Email von Hand in einem Achatmörser zu Pulver zerstossen, dann wird das Zifferblatt damit überzogen und im Ofen gebrannt. «In all den Jahren habe ich gelernt zu hören, ob die Körner fein genug sind», erklärt Anita Porchet. «Das gilt auch für den Ofen. Jeder Vorgang dauert zwischen 30 und 90 Sekunden und benötigt eine Temperatur von 800 °C.» Nur die Erfahrung erlaubt es, die perfekte Dauer einzuschätzen. Dies ist eine Geschichte von Zeit und Erfahrung, die Quintessenz der Handwerkskunst.

Die Uhrenfachjournalistin beleuchtet weniger bekannte Aspekte der Uhrmacherei und präsentiert auch Neuheiten.

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