Die sonst als stark in ihren Traditionen verhaftet geltende Uhrmacherei kommt an diesem allgemeinen Trend nicht mehr vorbei und zieht voll mit. Von der Schmuckuhr bis zur reinen Miniaturisierung von Herrenmodellen, mit denen sich die Damen lange Zeit zufrieden geben mussten, sind sie schrittweise zu einem deutlich breiteren Angebot übergegangen, das nun auch zahlreiche Unisex-Modelle beinhaltet. Keiner wagt heute mehr zu bestreiten, dass eine Damenuhr auch ohne Diamanten auskommt. Ein gutes Beispiel ist die J12.G10 von Chanel mit dem legendären abgewandelten NATO-Militärarmband, das vor Weiblichkeit nur so strotzt. Erstaunlich!
Eine imposante Herrenuhr an einem zierlichen Handgelenk hat auch eine glamouröse Note.
Wo ist meine Moser?
Die Uhren von H. Moser & Cie sind ein Paradebeispiel, vor allem die Kollektion Venturer mit dem schicken Modell Small Seconds, das durch einen einfachen, aber unwiderstehlich verführerischen Look überzeugt. Das klassische und schnörkellose Design bleibt maskulin und gefällt vielen Frauen dennoch. Zumal sich hinter dieser eleganten Ästhetik ein präzises und leistungsstarkes Werk versteckt, das auch Damen sehr zu schätzen wissen. Wenn ein Uhrenliebhaber erzählt, dass seine Liebste ihm ständig seine «Moser» klaut, dann glauben wir das gern. Und da es sich sicherlich nicht um einen Einzelfall handelt, können wir der Marke nur wärmstens empfehlen, diesem Umstand doch bald Rechnung zu tragen …
H. Moser & Cie richtet sich (noch) nicht direkt an Frauen. Im Gegensatz zu anderen Marken, die bisher ihre testosteronlastige DNA geltend machten und nun die ausgetretenen Pfade verlassen, um auch die Damen zu umgarnen. Die Grundidee? Schrittweise diskret ins weiblichere Terrain hinübergleiten, ohne die ausdrucksstarken typischen Merkmale der Marke zu verraten. IWC gedenkt die Herzen der Holden mit der neuen Kollektion Portofino Midsize Automatic zu erobern. Einige wenige Diamanten – nicht mehr als nötig – verleihen den eleganten, 37 mm grossen Gehäusen eine noch luxuriösere Note. Das je nach Version angebotene Automatikwerk verfügt über eine Mondphase, eine Tag/Nacht-Anzeige oder ein Datum – alles bei Damen besonders begehrte Funktionen.
Klischees vermeiden
Da nun allseits bekannt ist, dass das schönere Geschlecht sich nicht mehr mit einfachen Stilübungen zufrieden gibt, haben einige Marken den Nutzen der Entwicklung von gemischten Herren- und Damenkollektionen erkannt. Die neue, von Vacheron Constantin am SIHH zu Ehren des 260. Geburtstags der Manufaktur enthüllte Kollektion Harmony beweist, dass die weiblichen Kunden heute fast genauso ernst genommen werden wie ihre männlichen Pendants. Als subtile Neuinterpretation der Kissenform umfasst die Kollektion Harmony nun auch zwei Damenmodelle, darunter einen sehr schönen Chronographen als Sonderserie mit 260 Exemplaren – eine Neuheit bei Vacheron Constantin. Cartier übt sich mit der neuen Uhr Clé, bei der die Krone wie ein Schlüssel funktioniert, in der Uniformierung der Geschlechter. Wirkt sie weiblich oder männlich? Die Grenze bleibt unscharf, und die eleganten und fluiden Formen des Gehäuses mit einem Kreis im Oval scheinen alle Klischees aufzuweichen. Die mal männlicher, mal weiblicher wirkenden Versionen der Clé von Cartier richten sich an eine bunt gemischte Kundengruppe, die vor allem nach einer eleganten, aber diskreten Uhr sucht.
Baume & Mercier holte beim letzten SIHH mit der berühmten, erstmals für Damen aufgelegten Classima den Rückstand der Marke auf. Das auf eine Grösse von 36,5 mm reduzierte und durch schlichte Eleganz überzeugende Gehäuse wirkt durch ein Perlmuttzifferblatt und einige Diamanten deutlich weiblicher. Ausserdem hat Frau die Qual der Wahl zwischen Quarz- und Mechanikwerk mit Automatikaufzug. Einige Marken gehen in ihren Bestrebungen nach ausgleichender Gerechtigkeit sogar noch weiter und präsentieren sogar Modellpaare wie Frédérique Constant mit der Index Automatic Pair Collection. Ein solches Duo dürfte den Haussegen wieder gerade hängen lassen … oder vielleicht doch nicht?