HYT : Stelldichein von Uhrmacherkunst und Strömungsmechanik

H 1 DLC

Gehäuse: Titan mit schwarzer DLC-Behandlung, brossiert, mikrosandgestrahlt und satiniert, gewölbtes und innen entspiegeltes Saphirglas mit Metalldom bei 6 Uhr, verschraubter Saphirboden Durchmesser: 48,8 mm Werk: Mechanikwerk mit Handaufzug (exklusives HYT-Kaliber, 65 Stunden Gangreserve), von Hand anglierte Brücken mit Genfer Streifen, rhodinierte Bälge Funktionen: retrograde flüssige Stunden, Minuten (12 Uhr), kleine Sekunde (9:30 Uhr), Gangreserveanzeige (65 Stunden bei 2:30 Uhr) Zifferblatt: destrukturiert, flüssige Stunden, Leuchtzeiger und -indexe Armband: mit Leder unterlegter Stoff, Dornschnalle

HYT hat einen völlig neuartigen Ansatz verfolgt, um eine kleine, tragbare und vielseitig einsetzbare flüssige Zeitmessung zu entwickeln: zwei bewegliche, an beiden Enden der gleichen Kapillare fixierte Behälter. Ein geschlossenes System mit einer andersfarbigen und nicht mischbaren Flüssigkeit in jedem Behälter. Durch Kompression des ersten Behälters wird die Flüssigkeit in die Kapillare gedrückt und zeigt die Zeit an, während die andere sich im zweiten Behälter ausdehnt. Die Trennung beider Flüssigkeiten wird durch die positive und negative Polarität der Moleküle jeder Flüssigkeit gewährleistet, die sich gegenseitig abstossen wie Magneten. In der Röhre braucht es keinen Kolben. Gleichzeitig ist auch das Problem des Energie- und Raumbedarfs gelöst. Dieses Prinzip legte den Grundstein für die neue H1. Die beiden Behälter befinden sich bei 6 Uhr. Während der eine komprimiert wird, dehnt sich der andere aus und umgekehrt, was zu einer Bewegung der Flüssigkeiten in der Kapillare führt. Im Laufe der Stunden steigt die fluoreszierende Flüssigkeit an. Die halbmondförmige Trennlinie (Meniskus) zeigt die Grenze zur anderen Flüssigkeit und somit die Stunde an. Um 18 Uhr kehrt die fluoreszierende Flüssigkeit mit einer retrograden Bewegung in ihre Ausgangsposition zurück. Aber wie funk–tionieren die Behälter? Zwei äusserst flexible und widerstandsfähige Bälge mit elektrolytisch abgeschiedenen Legierungen werden von einem Kolben gesteuert. Für die Aktivierung dieses Systems braucht es dann die Uhrmacherei.

 

 

Flüssige Stunde

Die Uhrzeit wird dank einer rechteckigen (1,7 x 3 mm) Kapillare, die kreisförmig zwischen zwei Plexiglasschichten als Uhrglas eingebettet ist, präzise angezeigt. Die flexiblen Behälter werden dank Rollmembranen in durchsichtigen Zylindern festgehalten. Die für die Verdrängung der Flüssigkeit notwendige Energie wird über eine Welle übertragen. Diese drückt auf den Kolben, der wiederum den Balg bewegt. Die grösste Herausforderung bestand darin, in einem geschlossenen und dichten Kreislauf eine Schnittstelle zwischen mechanischer Bewegung und hydraulischem System zu finden. Vor allem aber gab es kaum genug Platz für diese beiden Teile. Beide mussten erst getrennt montiert werden, um ihre Autonomie zu garantieren, und dann dazu gebracht werden, gemeinsam zu funktionieren. Eine extrem heikle modulare Integration, die andere Probleme aufwarf. So mussten beispielsweise die zwei Zifferblattteile seitlich montiert werden. Ende 2011 wurden für Technologie und Design insgesamt acht Patente(7+1) angemeldet.

 

 

Energiebedarf zügeln

Keine hydraulische Kraft ohne Druck. Wenn die mit Fluorescein angereicherte Flüssigkeit den Kreislauf einmal vollständig durchlaufen hat und bei 6 bzw. 18 Uhr ankommt, komprimiert sich die eine Pumpe, während sich der andere Balg ausdehnt, Widerstand aufbaut und somit mehr Energie braucht. Preciflex löste das Problem durch die Entwicklung innovativer Bälge. Sie sind aus einer sehr dünnen, flexiblen und doch robusten Legierung wie die Messsonden der NASA und wurden den uhrmacherischen Bedürfnissen angepasst. Ihre spezielle Form verringert den Energiebedarf beim Zusammendrücken, dämpft Stösse und garantiert absolute Dichte.

 

 

Genese – Hyt6

Vor exakt zehn Jahren fand rund um die drei Seen des Watch Valley die Schweizer Landesausstellung Expo02 statt, die Lucien Vouillamoz zur Entwicklung einer Wasseruhr inspirierte. Damals wusste der in Thermodynamik diplomierte Kernphysiker noch nicht, wie man die in Klepsydren (Wasseruhren) genutzte Schwerkraftenergie in einer dichten Armbanduhr ersetzen kann. Einige Jahre später hatte er die Idee, an jeden Behälter eine Kapillare zu schweissen, die für die Flüssigkeitstrennung mit einem Meniskus versehen ist, der wiederum die Uhrzeit anzeigt. Dann erschien sein Freund Patrick Berdoz, ein gewiefter Unternehmer und im Bereich des Schutzes von geistigem Eigentum sowie der Lancierung innovativer Projekte sehr erfahrener Geschäftsmann, auf der Bildfläche. Sie forschten gemeinsam nach Vorveröffentlichungen und entwickelten die ersten technischen Spezifikationen, Designs und Patententwürfe. Die Ergebnisse waren so vielversprechend, dass Patrick das Projekt weiterhin vollumfänglich finanzierte und beschloss, seinen Freund Emmanuel Savioz mit an Bord zu nehmen. Gemeinsam schufen sie die Grundlage, aus der später HYT hervorging.

 

 

Miteinbezug der Uhrmacher

Die Begegnung mit Vincent Perriard 2010 ist schliesslich ausschlaggebend. Er verfügt nicht nur über das unabdingbare Netzwerk und die internationale Erfahrung in der Uhrmacherei, sondern hat sich in der Vergangenheit bereits an einen Versuch mit Flüssigkeiten gewagt, der ihm 2008 beim Grand Prix d’Horlogerie de Genève den Preis für das beste Design einbrachte. Vincent Perriard wird zum Partner und vervollständigt mit seinen herausragenden Kompetenzen in der Uhrenbranche den harten Kern von HYT.

Für die heikle Umsetzung der Konzepte in die uhrmacherische Wirklichkeit wird Bruno Moutarlier zum Entwicklungsverantwortlichen ernannt. Der ehemalige Leiter der industriellen Fertigung von Audemars Piguet wendet sich für die Entwicklung des Werks der zukünftigen H1 an Jean-François Mojon und sein hochkompetentes Chronode-Team. Gleichzeitig coacht er für den Bereich Flüssigkeiten die Ingenieure des Pharmaspezialisten Helbling Technik. Xavier Casals, seit 15 Jahren (zuerst 1995 bis 2000 bei Audemars Piguet) treuer Wegbegleiter von Vincent Perriard in allen Uhrenabenteuern, stösst als künstlerischer Leiter zum HYT-Team. Ion Schiau wird 2011, nachdem er insbesondere für die Swatch Group und unlängst für Hublot als Uhrenfachmann die Welt bereiste, letzter HYT-Partner und übernimmt die Leitung von Verkauf und Marketing. Vincent Perriard betraut gleichzeitig das von Sébastien Perret geleitete Büro Etude de Style mit dem Design der zukünftigen H1. Er arbeitet derzeit bereits am Design der H2, H3 und H4.

Trilogie H 1 – Emotionsbeschleuniger

Das energiegeladene und kraftvolle Design der H1 symbolisiert den starken Charakter des Zeitmessers. Die dreidimensionale Architektur kommt in der Front-, Seiten- und Dreiviertelansicht durch ein in der Masse geschliffenes, gewölbtes und 5 mm dickes Saphirglas perfekt zur Geltung.

Aussergewöhnliche Konstruktion

Der Dom bei 6 Uhr auf dem nivellierten Zifferblatt hat eigene Gesetze. Aus ihm sprudeln die Fluoresceinpartikel mit verstreichender Zeit in die Höhe. Dort laufen auch die Kolben und Bälge zusammen. Der obere, scheinbar destrukturierte Teil der Uhr ist ein geometrisches Gebilde aus Schichten und Reliefs. Die spritzige, einem Wasserrad ähnelnde kleine Sekunde überlappt sich mit dem zentralen Minutenregulator. Bei 2:30 Uhr wird die verbleibende Gangreserve (65 Stunden) in drei Kreisbogen angezeigt. Die Flüssigkeiten fliessen währenddessen unaufhaltsam im Höhenring des Zeitmessers. Trotz eines Durchmessers von 48,8 mm und einer Höhe von 17,9 mm beeindruckt dieses uhrmacherische UFO durch seine Leichtigkeit und seinen Tragekomfort. Die Einbuchtungen des Gehäuserahmens verlängern die wannenförmigen aufgelegten Indexe, während die Krone auf der Kaliberachse bei 2:30 Uhr verankert ist und vom imposanten Kronenschutz gestützt scheint.


Brice Lechevalier ist Chefredakteur und Mitbegründer von GMT (2000) sowie Skippers (2001) und leitet WorldTempus seit der Integration in das Unternehmen GMT Publishing als Ko-Aktionär. 2012 entwickelte er die Geneva Watch Tour. Seit 2011 dient er als Berater des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Im Bereich des Segelsports zeichnet er seit 2003 für die Veröffentlichung der Zeitschrift der Socitété Nautique de Genève verantwortlich. Er ist ferner Mitbegründer des 2009 ins Leben gerufenen SUI Sailing Awards (offizieller Schweizer Segelpreis) sowie des 2015 erstmals durchgeführten Concours d’Elégance für Motorboote des Cannes Yachting Festival.

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