Es ist aufgefallen oder auch nicht. Genau das beabsichtigte Arnaud Chastaingt, als er sich daran machte, die inzwischen 20 Jahre alte J12 an ihre Zeit anzupassen. Wir haben es hier also vielmehr mit einem Facelift als mit einer Revolution zu tun: kleine, auf den ersten Blick unmerkliche Unterschiede, die der meistverkauften Uhr der Marke genügend Frische einhauchen sollten, um ihr zwei weitere Jahrzehnte Gelassenheit zu bescheren.
AUSSTATTUNG
Die hier auf dem Prüfstand analysierte Uhr übernimmt die gestalterischen Merkmale, die Definition sowie die Farbe des Originalmodells in schwarzer Keramik. Die tiefgreifendste Veränderung betrifft das Werk, das geradewegs einige Anpassungen des Designs nach sich zieht. Der Durchmesser des Gehäuses bleibt unverändert bei den 38 mm, die der Uhr einen universellen Charakter verleihen und die den Uhrmachern so lieb und teuer gewordenen genderspezifischen Aspekte aufheben. Seine Höhe gewinnt jedoch leicht an Fülle, was allerdings von den nunmehr geschwungenen Mittelteilflanken wegretuschiert wird. Ein Saphirboden rückt das Manufakturkaliber gekonnt ins Rampenlicht. Während die vorherigen Versionen mit einem Vollboden in Stahl verschlossen waren, ist hier das gesamte Gehäuse aus Keramik. Die Krone wurde um 30 % verkleinert. Falls Sie eine genaue Bestandsaufnahme aller weiteren Unterschiede erstellen möchten, empfehlen wir Ihnen, diese mit der Lupe zu suchen. Keramik ist zugegebenermassen schwer, aber Chanel ist es gelungen, das Gewicht gegenüber den Vorgängermodellen zu verringern, und die vernünftige Dimensionierung der J12 tut ihr Weiteres für den unbestrittenen Tragekomfort.
WERK
Die bis dato von einem ETA 2892 angetriebene J12 präsentiert jetzt stolz ein Hauskaliber. Die drei Zeiger im Zentrum und die Datumsscheibe weisen keine grösseren ästhetischen Veränderungen auf, und obgleich die 70 Stunden Gangreserve, das COSC-Zertifikat und das Design der Schwungmasse an frühere Kreationen des Hauses erinnern, braucht diese Uhr sich vor ihrer berühmten Vorgängerin nicht zu verstecken. Gleiche Anordnung und gleiche Frequenz, d.h. 28 800 Halbschwingungen pro Stunde, bei grösserer Dicke zur Integration der für die Autonomie zuständigen Zugfeder sowie eine Schwungmasse in Wolfram für ein besseres Drehmoment und folglich eine gesteigerte Effizienz. Der günstige Preis dieser Grundversion und der garantierte Geschäftserfolg erfordern eine gut durchdachte industrielle Fertigung, die bei den Stammlesern dieser Rubrik aber keine Begeisterungsstürme hervorrufen wird. Man könnte sogar fragen, ob sich der Aufwand mit dem Saphirboden lohnt. Wichtiger als rein ästhetische Erwägungen sind jedoch Ganggenauigkeit und Zuverlässigkeit.
TESTS
Das COSC-Zertifikat und die Fünfjahresgarantie, mit der die aktuelle J12 geliefert wird, sind allein schon der sichere Beweis dafür, dass das Ziel erreicht und bezüglich Ganggenauigkeit und Zuverlässigkeit sogar übertroffen wurde. Letzter wichtiger Aspekt einer solchen Uhr: der Komfort. Nachdem sie jetzt nicht mehr über 40, sondern über 70 Stunden Gangreserve verfügt, wird die J12 voller Stolz ein ganzes Wochenende der Vernachlässigung «überleben» können. Die Wasserdichtigkeit bis 200 Meter macht sie endgültig zu einer langjährigen und treuen Wegbegleiterin für den Alltag.
Mit der optischen Auffrischung ihrer Speerspitze haben die kreativen Köpfe bei Chanel Verstand bewiesen und die seit 20 Jahren für den Erfolg der J12 verantwortliche Essenz nicht angetastet. Die Ästhetik wurde so angepasst, dass dieser Ikone ihre Identität sowie die quasi unangefochtene Spitzenposition erhalten bleiben. Erfreulich ist zudem, dass die Entscheidungsträger nicht dem Lockruf einer oft durch übertriebene Selbstsicherheit und weniger durch Vernunft motivierten Höherpositionierung folgten. Die J12 wird zwar vielleicht keinem waschechten Sammler, Technikfreak oder dem Autor dieser Zeilen den Atem rauben, aber sie beeindruckt durch die Fähigkeit, ihre Zielgruppe trotz technischer sowie ästhetischer Beschränkungen gefunden zu haben, und durch die beispielhafte Optimierung der Kosten (und folglich des Verkaufspreises), was einigen Traditionshäusern mit jahrhundertealtem Erbe ruhig als Vorbild dienen könnte.