Jaeger-LeCoultre : Master Ultra Thin Calendar

Eines steht fest: Die dieses Mal auf unseren Prüfstand genommene Uhr wird 2015 nicht den Preis für Innovation, sondern eher den Preis für Zuverlässigkeit und Konsistenz erhalten. Sie bestätigt somit zwei Erfolgsrezepte von «Jaeger»: erstens die klar abgegrenzten Kollektionen Atmos, Reverso und Master, wobei die beiden Ersteren bereits zu Beginn der 30er-Jahre entwickelt wurden. Und obwohl die 1000 Teststunden der Kollektion Master erst 1992 eingeführt wurden, symbolisiert diese Familie das Beste, was die Manufaktur in Le Sentier zwischen den 30er- und 60er-Jahren an Herrenuhren entwickelte. Die Memovox ist da ein gutes Beispiel, um nur ein berühmtes zu nennen. Alle drei Pfeiler wurden unermüdlich weiterentwickelt und angepasst und ihre Präzision und Zuverlässigkeit stetig verbessert. Zweitens zeugen der 23 Jahre alte 1000-Stunden-Test und die Allgegenwärtigkeit des Kalibers 889 sowie seiner Abwandlungen gleichermassen vom hohen Anspruch dieses Tests sowie vom Wert dieses legendären Kalibers.

Jaeger-LeCoultre ist bis heute sicherlich eine der wenigen Manufakturen, die innovative grosse Komplikationen entwickelten und im gleichen Atemzug über rund ein Jahrhundert unermüdlich ihre drei Steckenpferdkollektionen vorantrieben. Diese langfristige Strategie zahlt sich auch in Zeiten aus, in denen einige revolutionär mit kurzlebig verwechseln.

Die von uns hier auf den Prüfstand genommene Master Ultra Thin Calendar spiegelt diese heute selten gewordene Philosophie perfekt wider.

 

Ausstattung:

Das unverkennbare Gehäuse als zeitloser Identitätsträger lässt keinen Zweifel an der Zugehörigkeit zur Kollektion Master Control 1000 Hours aufkommen. Die Uhrmacher aus Le Sentier wussten dieses Gehäuse seit über 20 Jahren selbstverständlich immer wieder mit neuem Leben zu erfüllen. Je nach Werk oder Komplikation galt es auch mehrfach, die Proportionen zu überarbeiten. Dieses heikle Unterfangen ist ihnen perfekt gelungen. Das Kaliber (und somit auch seine Funktionen) kennen wir schon seit 1995 aus der Kollektion Master Moon. Doch wie steht es um die Daseinsberechtigung des Begriffs Ultra Thin? Das Werk ist seit rund 20 Jahren unverändert, weshalb hier die grösste Herausforderung darin bestand, Höhe durch die Ausstattung einzusparen. Das Zifferblatt hat nun einen flachen und nicht mehr wie früher gewölbten Grund. Die Verlegung der Sekunde und der Mondphasenanzeige auf 6 Uhr liessen diese kaum an Grösse verlieren. Das Zifferblatt ziert nun eine sehr schöne, leicht durchsichtig silbern schimmernde Vollendung. Zeiger und Indexe sind unverändert. Obwohl das Gehäuse über den gleichen Durchmesser (39 mm) verfügt wie beim Vorgängermodell, konnte es durch Einsparungen auf eine Höhe von nur 9,90 mm reduziert werden. Durch den flachen Saphirboden können das herrliche Automatikkaliber bewundert und gleichzeitig noch einige Zehntelmillimeter eingespart werden. Neben den überarbeiteten Proportionen und trotz des unveränderten Gesamtdurchmessers wurde die Öffnung für das Saphirglas leicht vergrössert, um den Eindruck eines gesteigerten Durchmessers zu vermitteln durch die neuen Proportionen das Gehäuse noch flacher erscheinen zu lassen.

 

Werk:

Diese Ultra Thin Master Calendar wird vom Kaliber 891/2-448 zum Leben erweckt. Diese Referenz umfasst die dritte Weiterentwicklung des in den 70er-Jahren lancierten Kalibers 889 und sein Modul für einen dreifachen Kalender (Datum, Wochentag, Monat und Mondphase) mit einer auf 6 Uhr verschobenen Sekunde. Der Aufbau dieses Kalibers verrät sein Alter, denn die Zentrierung von Mond und kleiner Sekunde sowie die sehr zentrale Positionierung der Fenster für Wochentag und Monat stammen aus einer Zeit, in der ein Gehäuse mit einer Grösse von 39 mm bereits zu Sportuhren mit grosszügigen Durchmessern zählte. Nichtsdestotrotz ist dieses legendäre Kaliber (das früher auch in Uhren anderer prestigeträchtiger Manufakturen zu finden war) immer noch eines der besten aller Zeiten bezüglich Präzision und Zuverlässigkeit.

Es ist nicht sehr gross und entspricht perfekt den damaligen Normen. Es hat eine Standard-Kalibrierung von 11 1/2 Linien im Durchmesser. Trotz eines sehr leistungsstarken automatischen und in beide Richtungen erfolgenden Aufzugs ist die Höhe (5,53 mm) angesichts der Stellqualität einfach umwerfend gering. Der Automatikaufzug und seine herausragende Leistung zählen wahrscheinlich zu den besten des Markts. Aufbau und Vollendungen sind makellos und entsprechen absolut den aktuellen Standards.

Das zusätzliche Modul birgt die Komplikation des dreifachen Kalenders. Abgesehen von einer dezentralen Anordnung des Schafts in der Gesamthöhe des Werks kann dank dieses optionalen Moduls die extrem hohe Zuverlässigkeit des Werks voll ausgeschöpft werden. Die Vollendungen des Moduls stimmen mit denen des Werks überein und tragen zu seiner funktionalen und ästhetischen Integration bei.

 

Tests:

Die Kaliberbasis weist eine von den Liebhabern hoher Uhrmacherkunst allseits anerkannte Frequenz von 28 800 Halbschwingungen pro Stunde auf. Seine lange Tradition und die Allgegenwärtigkeit in der Kollektion mit den 1000 Teststunden sprechen Bände über die Effizienz dieses Werks. Demzufolge gab es bei den Gangkontrollen keine Überraschungen. Die Messungen wurden unmittelbar nach dem Aufzug und 24 Stunden später vorgenommen. Die Amplituden lagen bei der ersten Messung in horizontaler und vertikaler Lage bei über 280° bzw. 260°. Nach 24 Stunden Gang lagen sie immer noch bei über 260° bzw. 245° und somit weit über dem, was man beim Standard der damaligen Zeit von nur 38 Stunden Gangreserve erwarten kann. Das Modul erweist sich als sehr genügsam, denn die Gangreserve wurde trotz der Speisung des dreifachen Kalenders nicht gemindert. Um den Energieverbrauch noch weiter zu senken, wurde der Antrieb der Mondscheibe vom restlichen Kalender entkoppelt. Eine einfache und geniale Idee. Die Krone ist für den Aufzug sowie die Zeiteinstellung angenehm griffig. Zum Korrigieren des Kalenders dienen vier unabhängig voneinander wirkende Korrektoren, die für mehr Komfort alle vier Anzeigen getrennt einstellbar machen.

 

Fazit:

Die Abmessungen des Kalibers und die Anordnung der Räderwerke könnte glauben machen, dass die Master Calendar nur Ultra Thin geworden ist, weil die Definition von extraflach vor 40 Jahren nicht die gleiche war. Nichtsdestotrotz muss anerkannt werden, dass am Platzbedarf des Werks und vor allem auch an seiner Höhe gefeilt wurde. Die nachgewiesene Zuverlässigkeit sowie die Umsetzungs- und Fertigungsgüte ist genau wie die Präzision der schlagende Beweis, dass eine ständige Weiterentwicklung einer zeitlosen Linie auf der Grundlage von erprobten Kalibern sinnvoll ist. So sinnvoll, dass andere Marken es heute kopieren …

Kurz und gut, wenn Sie auf der Suche nach einer unvergänglichen, zeitlosen, klassischen und beispielhaft zuverlässigen Uhr sind, sollten die Kollektion Master und vor allem die Ultra Thin Calendar für Sie auf jeden Fall in der engeren Wahl sein.


Der erfahrene Uhrmacher analysiert eine Uhr während einer Woche auf seinem Prüfstand, um den an technischen Details interessierten Lesern sein Fazit darzulegen.

Review overview
})(jQuery)