Panerai hat in der Uhrmacherei eine Sonderstellung inne. Obwohl die Officine 1860 gegründet wurden, sind die dort gefertigten Uhren erst seit 1993 für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Vorher entwickelte und fertigte die florentinische Marke ausschliesslich für die italienische Marine. Panerai konnte in diesem Zusammenhang zahlreiche Systeme patentieren und vor allem unter glaubwürdigsten Bedingungen testen. Der Sprung in die Schaufenster der Uhrmacher war aber angesichts der sehr grosszügigen Abmessungen und des unverkennbaren militärischen Stils noch kein Erfolgsgarant. Dennoch eroberte die Marke die Handgelenke zahlreicher Persönlichkeiten (Männer wie Frauen) im Nu und lancierte gleichzeitig die Mode der beeindruckenden Grossuhren. Panerai ist seitdem deutlich ziviler unterwegs. Für unseren Prüfstand erhielten wir einen Prototyp der neuen Radiomir 1940 42 mm.
Ausstattung:
Der Ruf von Panerai gründet auf historischen Entwicklungen und Patenten rund um die Ausstattung. Gilt das auch heute noch? Der auf unserem Prüfstand getestete Zeitmesser macht seinem Namen alle Ehre, denn schliesslich handelt es sich um das kissenförmige Radiomir-Gehäuse von 1940. Die angelöteten drahtförmigen Bandanstösse und die kegelförmige Krone wichen in genau jenem Jahr den Monoblock-Bandanstössen sowie der zylinderförmigen verschraubten Krone als Antwort auf neue Bedürfnisse. Trotz der auf 42 mm verringerten Grösse und des Saphirglasbodens bleibt das Gehäuse dieser Radiomir garantiert bis 10 atm dicht. Das Modell von 2015 präsentiert auf dem Zifferblatt neben Stunden und Minuten auch eine kleine Sekunde bei 9 Uhr. Das emblematische Zifferblattdesign sowie auch sein Aufbau sind unverändert. Die erste Platte ist mit Leuchtstoff überzogen. Die von Panerai patentierte Leuchtmasse Radiomir wurde durch Super-LumiNova ersetzt, das jedoch eine ähnliche Leuchtkraft besitzt. Die zweite Platte mit ausgestanzten Ziffern und Indexen wird über die erste gelegt. Die Anzeigen sind zu jeder Tages- und Nachtzeit perfekt lesbar. Obwohl das Design dieser Uhr immer auf Funktionstüchtigkeit ausgerichtet war, bilden die prägnanten Linien mit den geschwungenen Linien und den scharfen Kanten ein harmonisches Ganzes.
Werk:
Das Staatsgeheimnis von gestern ist heute ein Allgemeinplatz. Während der «militärischen» Ära tickten in den Panerai-Uhren ausschliesslich Werke von Rolex als Inbegriff der Zuverlässigkeit. Die italienische Marke musste sich, sobald sie ihre zivilen Ziele veröffentlicht hatte, selbstverständlich nach anderen Werken umschauen. Die ersten «öffentlichen» Modelle von Panerai bargen Unitas-Kaliber. Eine gute Wahl. Zuverlässigkeit und Platzbedarf entsprachen dem Produkt perfekt. Es handelte sich aber nicht um «hauseigene» Werke, und der Einzug der Marke in die Richemont-Gruppe machte Panerai zu einer echten Manufaktur.
Das in diesem Zeitmesser verborgene Kaliber P.1000 ist das Ergebnis einer vollumfänglich integrierten Entwicklung. Es besitzt zwei Federhäuser, die ihm eine Gangreserve von 72 Stunden und eine Frequenz von 28 800 Halbschwingungen pro Stunde garantieren, was den aktuellen Standards entspricht. Dieses Kaliber muss «nur» seine Zuverlässigkeit und Präzision beweisen. Und das gelingt ihm mühelos. Der einzige «Zusatz» ist die Nullstellung der Sekunde, wenn die Kronenwelle für die Zeiteinstellung herausgezogen ist.
Architektur und Aufbau des Kalibers entsprechen perfekt der Berufung von Panerai sowie der «militärischen» Vergangenheit der Marke. Funktionstüchtigkeit und Zuverlässigkeit springen sofort ins Auge. Auf den ersten Blick scheint das Werk fast ein wenig zu schlicht. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch die kühne, aber löbliche Dekoration der Brücken, deren Oberfläche linienförmig verziert ist. Diese scheinbar simple Vollendung ist heikel und schwer durchführbar, vor allem beim Anglieren der Kanten. Die Kanten sind nur leicht poliert (mehr braucht es nicht), und doch sind die verschiedenen Oberflächen klar erkennbar. Kohärenz und Vernunft siegten hier folglich über den Modetrend fast aller Manufakturen, die ungeachtet ihrer Identität um jeden Preis nach hoher Uhrmacherkunst streben. Besonders gut gefallen uns die Form der Federhausbrücke und das zentrale Dekor des Sekundenrads.
Tests:
Es überrascht niemanden, dass die Ausstattung alle Versprechen hält. Funktionalität, Solidität, Wasserdichte und Lesbarkeit: Alle typischen Panerai-Vorzüge sind vorhanden.
Die Amplituden sind 0, 24 und 48 Stunden nach dem Aufziehen mit 255° bis 295° in horizontaler und mit 235° bis 275° in vertikaler Lage gut. Die Gangreserve lag bei beiden durchgeführten Messungen über den von der Marke angegebenen 75 Stunden. Beim Tragen spielt die Radiomir 1940 42 mm alle ihre Trümpfe aus. Ihre herausragende Ergonomie garantiert an Damen- wie an Herrenhandgelenken höchsten Tragekomfort und Eleganz.
Fazit:
Mit dem Wechsel zu einer «öffentlichen» Marke hat Panerai zahlreiche Trends ausgelöst. Sie bewahrte dennoch ihre Identität, ihre Werte und vor allem ihre bemerkenswerten Vorzüge, auf denen ihr guter Ruf gründet. Anderen Marken ist dieser Schritt weniger gut gelungen. Die Radiomir 1940 42 mm beweist, dass Panerai zu einer für alle zugänglichen Marke geworden ist, die sich den Situationen des Alltagslebens anzupassen wusste, ohne bei ihren technischen Vorzügen oder ihrem in der Uhrmacherei einzigartigen Charakter Abstriche machen zu müssen. Angesichts der (exzellenten) Preispositionierung ist die Radiomir 1940 42 mm wahrscheinlich eine der gelungensten Antworten auf die derzeit schwierige Konjunkturlage in der Uhrmacherei.