Patek Philippe : Calatrava Réf. 5227

Uhrenprofis haben alle die Berufskrankheit, in ihr Blickfeld geratende Handgelenke unmittelbar zu scannen. Wenn sie das Uhrenmodell nicht auf Anhieb erkennen können, verkürzen sie automatisch die Distanz zwischen Augen und Beobachtungsobjekt. Material? Ungewöhnliche Form? Geheimnisvolle Komplikation? Auch wenn Marke, Modell und Wert nicht sofort erkennbar sind, spricht die Fertigung des Zeitmessers auch von Weitem Bände. Die hier von uns geprüfte Uhr zählt zu den selten herausragenden Zeitmessern, die ihre Vorzüge allein durch Emotionen und mit höchster Diskretion vermitteln.

 

Ausstattung:

Die Ausstattung einer Uhr gibt sofort Auskunft über ihre Qualität. Patek Philippe weiss mit den modernen Kollektionen diese Entwicklung brillant umzusetzen. Ein Beispiel ist der vor rund zehn Jahren begonnene Grössenwettlauf. Die Genfer Manufaktur ist trotz der steigenden Marktnachfrage keine Kompromisse eingegangen und trumpft nun, seitdem die Mega-Gehäuse der 90er- und 2000er-Jahre in den vergangenen Jahren Abmagerungskuren durchleben, um den heute wieder klassischeren Standards zu entsprechen, mit der Referenz 5227 stärker auf denn je. Neben der Positionierung der Produkte ist Patek Philippe auch der Führungswechsel zwischen Philippe und Thierry Stern gut gelungen. Der Letztere entfaltet seine Persönlichkeit und weiss sich genau wie seine Vorfahren einerseits Respekt zu verschaffen und doch gleichzeitig genügend frischen, innovativen und modernen Wind in diese noble Einrichtung zu bringen, damit diese nichts von ihrem Glanz einbüsst. Die zwischen der Mittelteilseite und den Bandanstössen des neuen Gehäuses der Calatrava sowie dieser 5227 eingearbeiteten Rillen sind vielleicht das aussagekräftigste Beispiel. Der unsichtbare Scharnierboden der Offiziersgehäuse, von denen die Kollektion Calatrava die schönsten Interpretationen besitzt, ist eine weitere Besonderheit dieser Referenz mit einem Durchmesser von 39 mm. Die sonstige Ausstattung ist traditionsgemäss von schlichter und klassischer Eleganz. Das lackierte und polierte Zifferblatt ist cremefarben und birgt facettierte goldene Indexe und goldene Dauphine-Zeiger. Den Designern und Handwerkskünstlern der Manufaktur ist der Geniestreich gelungen, ein Modell mit extrem schlichter und einfacher Zeitanzeige sowie unverkennbarer Qualität und Vollendungen zu entwickeln.

 

Werk:

Es handelt sich um das Automatikkaliber 324 SC mit zentraler Sekunde und Datumsscheibe. Das Räderwerk sowie das Automatiksystem folgen einer traditionellen Bauweise, die sich bei Patek Philippe schon lange bewährt hat. Dennoch überzeugen sie wieder einmal mit ihren beispielhaften Vollendungen. Doch auch hier wird nicht geprahlt, sondern nur perfekt gearbeitet: Genfer Streifen, Perlierung, anglierte Stahlteile und Brücken. Die berühmte «Genfer» Qualität ist trotz extremer Schlichtheit, die auch Calvin gefallen hätte, allgegenwärtig. Doch nur ein Kennerblick sieht den Einsatz der vom Forschungslabor von Patek Philippe in den letzten Jahren entwickelten technologischen Neuerungen im Werk selbst. Vor allem bei der Hemmung und dem Regulierorgan: Die vierarmige Gyromax®-Unruh mit dynamisch einstellbaren Fliehgewichten und die Spiromax®-Spirale aus Silinvar® garantieren dem Ensemble 28 800 Halbschwingungen pro Stunde. Auch wenn wir heute noch nicht genügend Erfahrungswerte bezüglich der Alterung dieser Bestandteile haben, ist die ihnen zu verdankende Verbesserung der Zeitmessung über jeden Zweifel erhaben. Das Kaliber 324 SC trägt das Gütesiegel Patek Philippe, eines der striktesten Labels bezüglich Einstellungstoleranz.

 

Tests:

Hier alle Zahlen aufzulisten, um die chronometrischen Leistungen dieses Werks aufzuzählen, wäre weniger wirkungsvoll als zu versuchen, das «metaphysische» Gefühl höchster Präzision zu beschreiben. Das Gütesiegel Patek Philippe lässt eine maximale Gangabweichung von -3 bis +2 Sekunden pro Tag zu. Noch präziser geht kaum. Wir konnten diese Auflage bei 0 und 24 Stunden Gang mit einem maximalen Delta von 4 Sekunden (!) bestätigen. Die Amplituden sind nicht exzessiv und lagen bei allen Messungen über 255°. Die Gefahr des sogenannten «Prellens» besteht somit nicht. Die hohe Trägheit der Unruh ist dabei sicherlich nicht unerheblich. Das technische Merkblatt der Manufaktur erwähnt eine Gangreserve von 35 bis 45 Stunden; wir massen über 41 und 42 Stunden. Die Leistungen des Automatiksystems sind bemerkenswert, und die Schwungmasse in 21 Karat Gold unterstützt die Räderwerksumsetzung. Fast hätte ich angesichts des Durchmessers von 39 mm und der Vollendungen vergessen zu erwähnen, wie hoch der Tragekomfort der Referenz 5227 ist.

 

Fazit:

Wenn wir eine Uhr von Patek Philippe auf dem Prüfstand haben, wünschen wir uns fast, einen winzigen Mangel an Werk oder Bauweise zu finden. Journalisten machen ja nicht gerne Gefälligkeitsgutachten. Wem an seiner Glaubwürdigkeit gelegen ist, muss dennoch eingestehen, dass Patek Philippe zu Recht am Firmament der hohen Uhrmacherkunst prangt. Natürlich kann jemand behaupten, dass die Calatrava 5227 nicht nach seinem Gusto ist, doch niemand wird zu bezweifeln wagen, dass die Marke und diese Referenz fast nichts mehr von der Perfektion trennt.


Der erfahrene Uhrmacher analysiert eine Uhr während einer Woche auf seinem Prüfstand, um den an technischen Details interessierten Lesern sein Fazit darzulegen.

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