Bewegliche, animierte und programmierte Automaten haben in der Uhrmacherei eine Sonderstellung. Vom kleinsten bis zum komplexesten imitieren sie alle eine Handlung, eine Bewegung – kurz: das Leben.
Nichts symbolisiert die Uhrmacherei mehr als das Uhrwerk und dessen Bewegungen. Das Mitverfolgen der Zeit setzt eine ständige Bewegung voraus. Es ist also nicht verwunderlich, dass eine Uhr ihr Werk und dessen Bewegungen auf verschiedenste Weise zur Schau stellt. Der Höhepunkt wird dabei mit den sogenannten Automaten erreicht. Als die Uhrmacherei noch grossformatig (Taschenuhr, Standuhr, Turmuhr) unterwegs war, bildeten die Automaten das Nonplusultra in Sachen Technologie. Die Animationen der Grossuhren zu vollen Stunden waren die Touristenattraktionen des Mittelalters. Die humanoiden Figuren der Familie Jaquet Droz und von Vaucanson begeisterten die Königshäuser Europas. Es handelte sich um menschenähnliche, mechanisch programmierte Gestalten, die Bewegungen des täglichen Lebens ausführten.
LIBIDO
Seitdem wurde der Automat durch den Roboter abgelöst, hat aber nicht an Faszination eingebüsst, eben weil er sich bewegt und somit Emotionen vermittelt. Oft handelt es sich um starke Emotionen, denn die Automaten sind eng mit erotischen Uhren verknüpft. Eine suggestive kleine Szene regt die Diskussion (und mehr, wenn die Chemie stimmt) umso mehr an, wenn sie ein unmissverständliches Vor-und-Zurück darstellt. Hinter diesen kleinen tragbaren Libidos verbergen sich zwei Komplikationen. Jacob & Co hat sich für die einfachere entschieden. Durch Drehen der Krone öffnet sich das Zifferblatt und die Animation der Caligula beginnt sich zu bewegen. Die zweite ist nobler und komplexer.
ROMANTIK
Der Jacquemart (Glockenschläger) ist eine beliebte, mit dem Läutwerksmechanismus gekoppelte Gestalt. Ulysse Nardin präsentiert als Spezialist dieser Figur regelmässig Armbanduhren mit Minutenrepetition: ein jonglierender Bär, ein mit dem Hammer bewaffneter Schmied etc. Daneben gibt es noch viele weitere keusche Ideen. Blancpain reserviert sie für Sonderbestellungen, meist mit erotischem Motiv. Doch wie bei Van Cleef & Arpels kann der Automat auch keusche Liebe symbolisieren. In der Kollektion Poetic Wish präsentiert das Modell Le Pont des Amoureux zwei Turteltäubchen, die sich einander immer wieder annähern, ohne sich jedoch zu küssen, da sie von einem (unbarmherzigen) retrograden Werk immer wieder zurückgezogen werden.
SZENEN AUS DEM LEBEN
Die uhrmacherische Kinematik hat aber neben diesen Klassikern noch mehr zu bieten. Richard Mille nutzt beispielweise für seine RM 19-02 das Prinzip der Elevation. Eine dreidimensionale Email-Kamelie öffnet sich, gibt einen Tourbillon frei und schiebt ihn bis unter das Saphirglas nach oben. Die Metamorphosis II von Montblanc verfügt über ein einziehbares Zifferblatt, das sich öffnet und von einer Komplikation auf die andere umschwenkt. Die Margot von Christophe Claret entblättert ein Gänseblümchen wie im berühmten Märchen: «Er liebt mich, er liebt mich nicht etc.» Die Marke Cartier präsentiert ihr Lieblingstier als liebende Mutter. Auf dem Zifferblatt der Montre Panthères et Colibri gibt der Panther sein zwischen seinen Pfoten verstecktes Junges auf Wunsch frei.
GEZWITSCHER
Jaquet Droz setzt das Erbe der Gründer mit zwei Objekten fort. Beim ersten handelt es sich um die Machine à Signer, mit der die Paraphe des Besitzers spiralförmig nachgezeichnet wird. Das zweite ist eine Hommage an das schönste automatisierte Motiv der klassischen Uhrmacherei. Die Charming Bird ist ein für das Handgelenk konzipierter Singvogel. Die Uhr ist beeindruckend, denn das kleine Vögelchen tanzt und trillert laut eine schöne Melodie. Es wirkt lebendig.