Serienfertigung
Die meisten Uhrenmarken sind mit anderen Industrieriesen verglichen klein. Der Schweizer Uhrensektor erzielt insgesamt einen geringeren Umsatz als der Volkswagen-Konzern oder der Chemiegigant Dupont. Innovationen sind teuer, vor allem in der breiten Umsetzung. Ohne Serienfertigung zahlen sich die Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen nicht aus. Deswegen entwickelte die Uhrmacherei ihren eigenen Weg: Sie sucht nach Inspirationsquellen, passt sich an und übernimmt. Die grossen Uhrmacher des 18. Jahrhunderts waren Mathematiker, Schlosser und Astronomen. Allroundtalente wie Breguet, Ber-
thoud und Graham konnten gleichermassen Zeitmesser, Schlösser, Thermometer oder sonstige Messinstrumente entwickeln. Diese Erfinder waren jedoch aufgrund der geografischen Distanz, der fehlenden Kommunikationsmittel oder der riesigen Schneewehen in den Schweizer Tälern den Grossteil des Jahres vom Rest der Welt abgeschnitten. Offenheit und Neugier waren überlebenswichtig.
Öffnung
Die moderne Uhrmacherei hat sich nicht wirklich verändert. Durch die Aufhebung von Grenzen sucht sie nach Bestehendem und passt ihre Bedürfnisse an. Oberflächenbehandlungen wie PVD und DLC stammen aus dem Werkzeugmaschinenbau. Sie reduzieren die Reibung auf Ladeplatten und steigern die Härte von Schneidwerkzeugen. Die sogenannte Hightech-Keramik diente vor dem ersten Einsatz bei Rado in den 1980er-Jahren als thermische Isolation in der Metallindustrie und in der Raumfahrt. Letztere liefert zahlreiche Materialien, die in der Uhrmacherei als neu gelten, obwohl sie anderswo bereits Standard sind. Bestimmte ultraleichte Legierungen wie Aluminium-Lithium, Karbonnanoröhrchen wie bei Richard Mille und ultraharte Kunststoffe wie bei HYT gehören ebenso zu dieser Liste wie der Einsatz von Karbonfasern an sich.
Helfende Hand
Bis vor zehn Jahren waren die Uhrmacher sehr stolz darauf, nicht mit den Ingenieuren aus anderen Sparten gemeinsame Sache zu machen. Für viele von ihnen war die Uhrmacherei eine Welt für sich mit eigenen Regeln und vor allem eigenen Verboten. Diese Mauern wurden jedoch eingerissen und Tabus abgeschafft. Nun war der Weg für neue Werkstoffe frei, von denen das für Spiralen, Unruhen und Anker verwendete und aus der Welt der Halbleiter stammende Silizium zu den interessantesten zählt. Ursprünglich handelte es sich um eine Grundlagenforschung des CSEM, eines privaten Schweizer Forschungszentrums für Elektronik und Mikrotechnologie in Neuenburg. Dieses Labor hat auch massgeblich zur Entwicklung der unlängst von Vaucher Manufacture präsentierten Hemmung, dem System Genequand, beigetragen. Die Liste der von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) gestarteten Projekte ist fast endlos. Die Uhrmacherei profitiert vollumfänglich von den modernen Strukturen für die Verbreitung von Wissen sowie vom Pragmatismus der Schweiz.