Leichter, härter, eleganter : Die Materialwissenschaft…

Mitten im Wettrennen um Exklusivität und Technizität erblickten in den 2000er-Jahren zahlreiche Legierungen mit interessanten Namen das Licht der Welt: das Zalium (Aluminium + Zirkonium) von Harry Winston, das Alusic für die RM 09 von Richard Mille und markeneigene Metalle wie Hublonium (Aluminium + Magnesium) oder Zenithium (Titan + Aluminium + Niobium). Langsam aber sicher haben sie ihre Daseinsberechtigung unter Beweis gestellt. Nach einer kurzen Verschnaufpause ist nun der Erfindungszug wieder ins Rollen gekommen, denn das Lösungsreservoir aus Luftfahrt, Automobilsektor und Raumfahrt ist noch lange nicht erschöpft.

 

Aufstrebende Generation

Die Legierungen des vergangenen Jahrzehnts werden von der neuen Materialgeneration mit gleichem Ziel angegriffen: härter, leichter, robuster. So haben wir beispielsweise gelernt, dass Silizium ein Hochleistungsmetall ist, aus dem Roger Dubuis drei Quatuor-Exemplare fertigt. Die Richard Mille RM 52-01 verwendet TZP. Dieses mit Yttrium stabilisierte Zirkonium ist ultraleicht und extrem kratzfest. Dies gilt auch für das Powerlite von Maurice Lacroix aus Keramik und hochfesten Stählen.

 

 

Intergalaktischer Blumentopf

Die Keramik-Familie, die vom Blumentopf bis zum thermischen Schutzschild von Raumfähren reicht, bringt unser ganzes Werkstoffverständnis aus dem Lot. Ihre Präsenz beim Cermet von Jaeger-LeCoultre bildet eine sogenannte intermetallische Legierung, bei der die Atome eher nebeneinander existieren statt zu fusionieren und somit ihre mechanischen Kapazitäten noch steigern. Hublot nutzt diese überraschenden Eigenschaften beispielsweise für das Magic Gold, bei dem reines Gold in eine poröse Borkarbidstruktur gegossen wird. Das Ergebnis ist eine 18-karätige Goldlegierung (75 Massenprozent) mit doppelt so hoher Abriebfestigkeit wie bei den besten Kohlenstoffstählen.

 

Transmutation

Verbundstoffe haben ebenfalls grossartige Fortschritte verzeichnet und weisen kaum noch Mängel auf. Der Verbundstoff mit Kohlenstoffnanoröhren der Richard Mille MR 027-01 kombiniert einen Leichtigkeitsrekord mit einer so hohen Festigkeit, dass Rafael Nadal mit ihr am Handgelenk Turniere gewinnen kann. Das Polyepoxidharz der HYT H1 AZO ist dank einer Formel und eines neuen Härtungsverfahrens dreimal robuster und viermal leichter als Titan. Das beeindruckendste Beispiel ist jedoch Karbonfaser. Das leichte und geschmeidige Material zerkratzt allerdings leicht und kann bei Druck brechen. TAG Heuer hat deshalb das Konzept der Carbon Matrix aus der Luftfahrtindustrie übernommen. Die in Harz eingegossenen gestapelten Fasern bilden nach dem Brennen einen leichten, harten und gut zu bearbeitenden Block. Diese neuen Optionen eröffnen faszinierende neue Möglichkeiten und bieten gesteigerten Komfort sowie erstaunliche Zuverlässigkeit. Weil die Marken auf Exklusivität setzen, werden jedoch nur die wenigsten regelmässig zum Einsatz kommen. Zumal diese Werkstoffe extrem schwer zu bearbeiten sind. Kurz und gut: Stahl, Gold und Titan gehören noch lange nicht zum Alteisen.

 

Das Gehäuse der RM 27-01 ist ein Verbundstoff aus Kohlenstoffnanoröhren. Die ganze Uhr wiegt nur 19 Gramm.

 

HYT H1 Azo : Das Gehäuse aus Fluo-Verbundstoff ist viermal härter als Titan.

 

Das CMC von TAG Heuer ist ein ultraleichter bearbeitbarer Kohlenstoff, der unendlich viel robuster ist als der ursprüngliche Kohlenstoff.

 

Die Deepsea Cermet von Jaeger-LeCoultre kombiniert Keramik mit Aluminium.

 

 


Der Uhrenfachjournalist und regelmässige Korrespondent für WorldTempus.com schreibt unsere Rubrik Innovation in einem für alle verständlichen Stil.

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