Ende
Dieser Innovationsschub im Bereich der Spirale ist kein Zufall. Lange Zeit wurden fast alle Spiralen von der Swatch-Group-Tochter Nivarox gefertigt, die dann eine drastische Senkung der Liefervolumen ankündigte. Ihre Kunden, d.h. die meisten Uhrenmarken, mussten sich deshalb plötzlich erstmals mit diesem kleinen Teil auseinandersetzen. Rund ein Dutzend neue Hersteller schossen wie Pilze aus dem Boden, und bestimmte Marken sicherten sich die Produktion. Die meisten verwenden Metalllegierungen wie Eisennickel und unterscheiden sich nur durch ihre Fertigungsverfahren. Die Geometrie einer Spirale bestimmt ihr Verhalten, vor allem die Form ihres äusseren Endes. Diese sogenannte Endkurve verändert die Schwingung, die Stabilität des Schwerpunkts und die Regelmässigkeit der Frequenz. Eine andere Lösung ist das schraubenförmige Aufwickeln der Feder. Die zylinderförmige Spirale hat die Form einer Schraubenfeder, wie Bovet sie für das Modell Braveheart verwendet. Die Kugelspirale ist eine von Jaeger-LeCoultre verwendete kugelförmige Variante. Beide sind schwerer und komplexer als eine flache Spirale, symbolisieren aber Prestige (nicht unerheblich) und schwingen sehr nah am Schwerpunkt. Sie vermeiden so Schwerpunktverlagerungen und weisen eine geringere Reibung auf, sodass ihre Energie voll und ganz der Qualität der Schwingungen zugutekommt. H. Moser & Cie sowie Laurent Ferrier streben mit ihrer Doppelspirale nach genau dieser Wirkung. Beide Spiralen werden dabei umgekehrt zueinander auf der gleichen Unruh verankert. Schwenkt eine nach links aus, gleicht die andere diese Bewegung nach rechts aus, und gemeinsam garantieren sie so eine verbesserte Chronometrie.
Eisen
Metallspiralen haben allerdings ihre Grenzen. Auch Neuentwicklungen wie die unlängst von Rolex präsentierte Parachrom-Spirale bleiben anfällig für Magnetfelder, den Alterungsprozess und Wärme. Generationen von Uhrmachern, Wissenschaftlern und Metallurgen forschten im Bereich der Werkstoffe und probierten fast alles aus, sogar Glas. Cartier wagte diesbezüglich beim Regulierorgan der Concept Watch ID2 einen neuen Vorstoss mit Zerodur. Dabei handelt es sich um eine für Teleskopspiegel verwendete Glaskeramik. Die meisten Neuerungen betreffen jedoch die Siliziumspirale: reibungsfrei, amagnetisch und gegen Temperatur- sowie Luftdruckschwankungen gefeit. Patek Philippe, Omega, Breguet und Sigatec, der offizielle Lieferant von Ulysse Nardin sowie unlängst auch Tudor, nutzen diese Vorteile.
Eigenschaften
Silizium hat eine weithin unbekannte Eigenschaft, da man aus diesem Material jede gewünschte Form ausstanzen kann. Von einer Siliziumplatte ausgehend können alle für die Qualität wichtigen, aber unsichtbaren Dinge perfekt definiert werden: Verankerung, Kurve, Ebenheit und Befestigung auf der Unruh. Rolex wusste darüber Bescheid und lancierte den eigenen Werkstoff Syloxi. Verschiedene Marken nutzen das Ergebnis eigener Forschung mit für das blosse Auge sichtbaren Unterschieden. Die Spirale ist eine schier unerschöpfliche Inspirationsquelle, und all diese Bemühungen führen tatsächlich zu markanten Fortschritten bezüglich Zuverlässigkeit und Genauigkeit. Was könnte man sich von einer Innovation Schöneres erhoffen?
Lesen Sie das erste Kapitel dieser Serie (Zifferblatt) in der Rubrik 12. Kunst auf gmtmag.com.