Zeitmessung: Präzision über alles

Breguet nutzt ebenfalls das Konzept der regulierenden Doppelspirale, verwendet aber Siliziumspiralen mit ultrakomplexen Endkurven.

Die stabile und aerodynamische Gyrolab-Unruh von Jaeger-LeCoultre kommt in der neuen Geophysic True Second zum Einsatz.

Die Echappement Constant von Girard-Perregaux reguliert gleichzeitig Energie und Zeit.

 

Die Zeitmessung, d.h. die Kunst der Fertigung präziser Uhren, war schon immer eine wichtige Triebfeder der Uhrmacherei. Das Come-
back eines unabhängigen Zeitmesswettbewerbs und die steigende Anzahl Marken, die sich an die Offizielle Schweizerische Chronometerprüfstelle (COSC) wenden, beweisen, dass das Thema noch lange nicht erschöpft ist. Lösungen, die den Gang verbessern, gehen neue Wege und betreffen wirklich alle Werksorgane.

 

Hirn

Das Werk ist ein Konstrukt aus Wechselwirkungen. Alle Organe tragen zur genauen Messung der Zeit bei, wobei die Spirale als Hirn fungiert. Neben der Form der Spirale werden auch in der Blütezeit des 18. Jahrhunderts entwickelte alternative Geometrien wieder zu neuem Leben erweckt. Bovet, Montblanc und Jaeger-LeCoultre arbeiten mit zylinderförmigen Spiralen, wobei die von Jaeger-LeCoultre zudem noch kugelförmig ist. Diese Spiralen sind präziser, weil die Federn besser zentriert und verarbeitet sind. Die Doppelspirale ist eine Besonderheit von H. Moser & Cie, wird aber auch bei Breguet und Laurent Ferrier verwendet. Ihre beiden fast identischen Federn gleichen ihre jeweiligen Fehler sofort aus. Um die Funktionsweise der Spirale noch zu verbessern, setzt man besonders bei den Endkurven an, was bei De Bethune seit Gründung der Marke der Fall ist. Die Form am Ende der Feder beeinflusst ihr Gleichgewicht sowie ihren Energieverbrauch, zwei für ihre Regelmässigkeit ausschlaggebende Faktoren.

 

 

Dank der kontrollierbaren Flexibilität von Silizium zählt die Hemmung Constant Ulysse Anchor von Ulysse Nardin zu den wenigen Hemmungen mit konstanter Kraftübertragung.

Eine mit einer Unruh mit Fliehgewichten gekoppelte zylinderförmige und nicht ringförmige Spirale ermöglicht der Braveheart von Bovet eine geniale Präzision.

 

Rad

Die Unruh ist mit der Spirale gekoppelt und dient ihr als Schwungrad, weil sie ihre Kraft stützt und regelt. Je kleiner und leichter die Unruh, desto präziser ist sie, weil man sie vergisst. Sie ist aber auch umso störanfälliger. Je grösser und schwerer, desto träger und stossunempfindlicher ist sie hingegen, verbraucht aber auch mehr Energie. Eine Zwischenlösung bieten nicht ringförmige Unruhen. Bei De Bethune, Bovet und Jaeger-LeCoultre speichern diese offenen Halbkreise viel Energie, ohne viel davon zu verbrauchen, und haben sogar noch einen wenig bekannten Nebeneffekt: Ihr geringerer Luftwiderstand senkt den Energieverbrauch noch zusätzlich, denn in der Uhrmacherei ist die Energieregulierung das A und O.

 

 

Die Tourbillon-Modelle von Laurent Ferrier verfügen über eine Doppelspirale.

Die leichtere und reibungsärmere  Chronergy-Hemmung von Rolex befindet sich in der neuen Day-Date 40 mm.

 

 

Kraft

Seit Jahrhunderten ist bekannt, dass die Kraft der im Federhaus enthaltenen Feder nicht konstant ist. Bei vollem Aufzug ist sie gross, am Ende aber gering und speist die Räderwerke nur noch unregelmässig. Die Unruh braucht jedoch eine stabile Energiezufuhr. Deshalb wurde bereits früh das System von Kette und Schnecke entwickelt, das wie ein Automatikgetriebe funktioniert. Zu dieser komplexen Lösung gibt es nun seit Kurzem zwei Alternativen. Greubel Forsey verwendet Federhäuser mit schneller Federabwicklung, die ihre Energie linearer abgeben. In jüngster Zeit wurde die Energie mit der Entwicklung von zwei echten Hemmungen mit konstanter Kraftübertragung wieder mitten im Herzen der Hemmung verankert. Die Echappement Constant von Girard-Perregaux und die Constant Ulysse Anchor Escapement von Ulysse Nardin messen die Zeit und gleichen die simultan an die Unruh übertragene Kraft aus. Diese technische Errungenschaft verdanken wir der Flexibilität von Silizium.

 

Zählen

In der Vergangenheit konzentrierten sich die Bemühungen um mehr Präzision fast ausschliesslich auf die Hemmung. Die Schweizer Ankerhemmung dominiert, und manchmal reicht eine Optimierung des Bestehenden für interessante Verbesserungen bereits aus. Durch die Herstellung leichterer Anker und Ankerräder senkt man den Energieverbrauch der Hemmung und steigert so die Präzision. Diesen Weg wählte Rolex. Die Chronergy ist eine Light-Version der Schweizer Ankerhemmung, die skelettiert wirkt. Der Anker verfügt über eine optimale Geometrie, die die unausweichliche Reibung mit dem Ankerrad reduziert. Und doch ist dieser winzige Kontaktpunkt für einen erheblichen Energie- und Genauigkeitsverlust verantwortlich. Ergebnis: Das Kaliber 3255 der neuen Day-Date 40 mm, in dem die Chronergy-Hemmung zum Einsatz kommt, ist doppelt so genau wie die Anforderungen der COSC. Zudem steigert sie die Zuverlässigkeit so sehr, dass Rolex die Garantie bei diesem Modell auf fünf Jahre erhöhte. Seit 300 Jahren sind die Stellen, an denen die Ganggenauigkeit optimiert wird, unverändert, doch die Mittel und Wege sind einem ständigen Wandel unterworfen.


Der Uhrenfachjournalist und regelmässige Korrespondent für WorldTempus.com schreibt unsere Rubrik Innovation in einem für alle verständlichen Stil.

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